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Spiegel E-Book - Nelson Mandela 1918-2013

Spiegel E-Book - Nelson Mandela 1918-2013

Titel: Spiegel E-Book - Nelson Mandela 1918-2013
Autoren: Jan Puhl (Vorwort)
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bescherte die schwarze Bevölkerungsmehrheit Nelson Mandela einen überwältigenden Sieg. Die letzte Bastion der Kolonialherrschaft in Afrika war gefallen.
    Nelson Mandela vermied es aber, als Triumphator aufzutreten. Er beschwor vielmehr den Traum von der Regenbogennation, von einer multiethnischen Gesellschaft, in der niemand mehr diskriminiert werden dürfe. Auch nicht die Weißen. Dennoch blieben viele Weiße zunächst argwöhnisch.
    Schon bald aber merkten sie, dass die neue Regierung sogar ihren im Unrechtssystem angehäuften Wohlstand und ihre Privilegien unangetastet ließ. Und weil ihnen die Versöhnungspolitik des Präsidenten auch noch das Gefühl der Schuld abnahm, betrachteten ihn viele Weiße bald gar als eine Art Schutzpatron.
    „Wat is verby, is verby“, sagte Mandela am Tage seiner Amtseinführung in Afrikaans: Vorbei ist vorbei.
    Schließlich konnte er sogar viele jener Weißen für sich einnehmen, die in Südafrika „verkrampt“ genannt werden: Ewiggestrige, die davon überzeugt waren, dass ihr schönes Land untergehen werde, sobald die Schwarzen die Macht übernehmen würden. Wieder schlug er den ehemaligen Feind mit den eigenen Waffen. Er gewann die Schlacht auf dem Rugbyfeld, beim Weltcup in Südafrika.
    „Der Sport hat die Kraft, die Welt zu verändern ... Er ist mächtiger als Regierungen, wenn es darum geht, Rassenschranken niederzureißen“, erklärte Mandela. Er hatte sich auf das Endspiel gegen Neuseeland am 24. Juni 1995 vorbereitet, denn er wusste, dass ihm an diesem Tag die Herzen aller Landsleute zufliegen könnten. So kam es dann auch.
    Das Rugby-Team von Südafrika wurde Weltmeister. In den Townships jubelten Millionen Schwarze den einst so verhassten weißen Nationalspielern zu - und die Weißen im Stadion feierten zum ersten Mal frenetisch ihren Präsidenten, der im gold-grünen Trikot der Nationalmannschaft die Trophäe überreichte.
    Mandelas Nachsicht mit Tätern der Apartheid verstörte allerdings seine radikalen Weggefährten, und sein Schmusekurs nach dem Machtwechsel ging auch gemäßigten Freunden manchmal zu weit. Er lud sogar Percy Yutar zum Essen ein, den Staatsanwalt, der 1964 seinen Tod durch den Strang gefordert hatte.
    Mandela sagte mir bei unserem Gespräch in Genadendal: „Wir brauchen die Weißen für den Wiederaufbau und wollen ihnen die Unsicherheit nehmen.“ Er machte deutlich, wie prekär die Lage vor der Wende war. „Wir mussten unbedingt verhindern, dass die rechten Weißen einen Bürgerkrieg entfachen. Es ist daher von höchster Wichtigkeit, die Frage der Versöhnung immer wieder zu betonen.“
    Vermutlich gibt es nur einen Menschen, dem der alte Mann nicht verzeihen konnte - es war ausgerechnet jener Mensch, den er einst abgöttisch geliebt hatte: seine Ehefrau Winnie Madikizela-Mandela. Im Allmachtswahn hatte sie in der blutigsten Phase des Widerstandskampfs zur Lynchjustiz aufgerufen und eine Schlägerbande um sich geschart.
    Mandela warf Winnie „mangelhafte Urteilskraft“ vor, hielt aber an ihrer Unschuld fest. Erst beim Scheidungsprozess im März 1996 bekannte er: „Selbst wenn das gesamte Universum versuchen würde, mich zu überreden, mich mit der Beklagten zu versöhnen, ich würde es nicht.“
    War die größte Liebe seines Lebens am Ende die bitterste Enttäuschung? Winnie Mandela hatte einige Affären, als ihr Mann im Gefängnis saß. Nach seiner Freilassung schliefen sie in getrennten Betten, hieß es. Mandela hat nicht mehr über dieses Thema geredet, auch in seiner Autobiografie schweigt er darüber. Beim Begräbnis seines Freundes Oliver Tambo machte er eine Andeutung über seinen Gram. „Wir bluten aus unsichtbaren Wunden, die so schwer zu heilen sind.“ Bei solchen Gelegenheiten wirkte sein Lächeln wie eine Maske.
    Bis heute gibt es keinen kritischen Rückblick auf das Leben Mandelas, die meisten Biografen bewunderten ihn. Aber der Heilige, Unfehlbare, den manche aus ihm machten, war Mandela nie.
    Er konnte dickköpfig, selbstgerecht und uneinsichtig sein, auch von Wutausbrüchen berichten Mitarbeiter. Mandela war in jungen Jahren ein Feuerkopf, aufbrausend, wildentschlossen, kompromisslos, gelegentlich brachen diese Charakterzüge noch im alten Mann durch.
    Unvergesslich, wie er tobte, als Präsident de Klerk die Demokratieverhandlungen beinahe zum Scheitern brachte. Mandela konnte den kantigen Buren ohnehin nie leiden und empfand es offenbar als Zumutung, dass er den Friedensnobelpreis 1993 mit ihm teilen musste.
    Mandela
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