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So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock
Autoren: Melda Akbas
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von Deniz’
deutschen Freundinnen nicht trocken blieben, obwohl sie den Text gar nicht verstanden.
    Während ich wie die anderen mit einer brennenden Kerze in der Hand um das Brautpaar herumging und eine Strophe nach der anderen sang, fragte ich mich, wie es wäre, brächte ich eines Tages einen deutschen Freund mit nach Hause. Großes Rätsel. Das werde ich wohl erst lösen, wenn es einmal dazu kommen sollte. Ich bin heute schon gespannt.
    Die Hochzeit war dann genau vor fünf Wochen. Ich war ja noch nie besonders scharf auf solche Feierlichkeiten, aber diese fand ich schön. Es wäre übertrieben, würde ich sagen, die türkischen Gäste und die deutschen wären sofort ein Herz und eine Seele gewesen. Deniz und Leon hatten sich eine Sitzordnung ausgedacht, wodurch sie gemischt an den Tischen saßen. Trotzdem zog sich eine unsichtbare Grenze durch den Raum. Die Türken rückten zu den Türken, und die Deutschen machten es untereinander ebenso. Zweihundert Menschen saßen da, vielleicht auch dreihundert, ich bin schlecht im Schätzen. Trotzdem war es fast still, kaum jemand sprach.
    Doch dann kam das Brautpaar in den Saal. Obwohl es Deniz nicht wichtig gewesen wäre, hatte Leon darauf bestanden, dass sie ihren ersten Tanz als Ehepaar zu türkischer Hochzeitsmusik tanzten, die traditionell mit Davul und Zurna gespielt wird. Und da jeder das Hochzeitspaar dabei bestaunen und ihm so nah wie möglich sein wollte, strömten alle auf die Tanzfläche. Niemand achtete mehr darauf, wer neben ihm stand, und irgendwann tanzten wir alle miteinander.

8.
    … und denk daran: Familie ist Reichtum - Teil II
    Ich möchte unbedingt noch etwas über die Türkei erzählen, aber das ist so eine Sache. Sie ist mein Heimatland, weil meine Eltern von dort stammen und deren Eltern und so weiter, dabei kenne ich dieses Land kaum. Ich habe nie mitgezählt, aber ich schätze, dass ich in meinem Leben vielleicht zehn- oder elfmal dort war. Das ist viel, aber auch wenig, kommt darauf an, wie man es betrachtet. Manchmal verbrachte ich die ganzen Sommerferien dort, manchmal nur zwei Wochen davon. Und immer fühlte ich mich wie im Urlaub, nie wie zu Hause. Das finde ich auch gar nicht schlimm. Ich habe deswegen nichts vermisst. Ich will damit nur sagen, dass sich meine Sicht auf die Heimat meiner Familie nicht wesentlich von der eines Touristen unterscheiden dürfte. Vielleicht erscheint mir manches vertrauter, weil ich die Sprache der Menschen dort beherrsche, im Sinne ihrer Werte und Traditionen erzogen wurde und weil ich als Muslimin derselben Religion angehöre wie die meisten von ihnen. Und dann gibt es auch noch unsere Verwandten, die da leben. Aber sonst?
    Anne und Baba empfinden das anders. Sie sind dort geboren, haben noch Erinnerungen an den Teil ihrer Kindheit,
den sie in dem Dorf verbrachten, in dem schon ihre Eltern auf die Welt kamen. Die Türkei bedeutet für sie immer noch Heimat. Sie sehnen sich nach ihr und versuchen, so oft wie möglich dort zu sein. Und jedes Mal, wenn sie da sind, hoffen sie, dass sich so etwas wie ein heimatliches Gefühl bei ihnen einstellt. Mir ist ein bisschen schleierhaft, was genau sie suchen. Wahrscheinlich wollen sie sich in ihrer Heimat nur nicht wie Fremde fühlen, nicht wie Besucher, die sie aber doch sind. Ich glaube, sie machen sich da etwas vor. Bestimmt sehen sie sich nicht - wie ich - selbst als Touristen, aber ich wette, von den Einheimischen, die ihnen beim Einkaufen auf dem Markt oder in den Geschäften oder beim Essen in Restaurants begegnen, werden sie als solche betrachtet. Die merken allein an unserem Akzent, dass wir nicht in der Türkei leben.
    Anne und Baba genießen die Urlaube und denken, dass sie das Land und die Leute lieben. Das mag auch so sein - für die sechs Wochen, die sie da sind. Doch Ferien sind etwas anderes als das alltägliche Leben. Sie sparen jedes Mal zwei Jahre darauf, damit sie es sich leisten können und nicht auf jeden Cent achten müssen. Würden sie immer in diesem Land leben, hätten sie längst nicht so viel Geld, und dann würden ihnen auch alle anderen Probleme bewusster, die man im Urlaub verdrängt oder einfach übersieht, weil es eben nicht die eigenen Probleme sind. Ich bin ziemlich sicher: Wenn sie für immer zurückgingen, würden sie dort nur schwer zurechtkommen. Die Zeit in Deutschland hat sie zu sehr verändert.
    Aber vielleicht ist diese Sehnsucht bei Menschen ihres Alters vollkommen normal. Vielleicht bekommen Erinnerungen eine andere
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