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Silicon Jungle

Silicon Jungle

Titel: Silicon Jungle
Autoren: Shumeet Baluja
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beste Chance. Bemühen Sie sich um die Praktikanten. Und, Sebastin, lassen Sie mich nicht schon wieder so lange warten.«
    »Es ist immer ein Vergnügen mit Ihnen, Rajive.« Sebastin legte genervt auf.
    Rajive war sehr zufrieden mit sich. Im persönlichen Kontakt gab er meist den guten Cop, doch am Telefon konnte er tun und lassen, was er wollte. Die Rolle des scharfen Hundes machte auf jeden Fall mehr Spaß. Und obwohl er Sebastin einen anderen Eindruck vermittelt hatte, war alles in Ordnung.

VON 9 BIS 16 UHR
    März 2009.
     
    Es war die Art von Ereignis, von dem man seinen Lieben noch Jahre später gern erzählt. Denn nur wenige Besucher durften normalerweise ohne ausdrückliche Einladung die bewachten Tore passieren. Aber an diesem Mittwoch wurden seit neun Uhr über sechshundert Praktikumskandidaten durch die »Anlage« gescheucht, wie das Firmengelände von Ubatoo genannt wurde, um ihnen die üblichen Touristenattraktionen zu zeigen, die eigens für solche Veranstaltungen eingerichtet und mit Namen versehen worden waren (»Überwachung weltweiter Operationen«, »Cyberkriminalität«, »Web-Gedächtnis«, »Innovative Forschungsgruppe«). Bei jedem Halt waren pausenlos Kamerablitzlichter zu sehen.
    Besonders fasziniert waren die geführten Gruppen stets, wenn sie vor zwei sehr großen kugelsicheren Fenstern stehen blieben. Hinter dem Glas waren Aberhunderte Computer aufgereiht. Über diese Computer, so erklärte der Führer, liefen siebzig Prozent von Ubatoos öffentlichen E -Mails. Jede Nachricht, die mit Uba-Mail verschickt wurde, passierte diese Server, ehe sie zum Empfänger gelangte. Trotz der »Bitte nicht fotografieren«-Schilder konnten manche Tourteilnehmer es einfach nicht lassen und versuchten, Schnappschüsse durch die Glasscheiben zu machen. Viele benutzten Uba-Mail schon, seit der Service eingerichtet worden war, und sie wollten diesem Moment ein Denkmal setzen.
    Die technisch Versierteren unter ihnen waren nicht so beeindruckt, weil es ihnen höchst unwahrscheinlich erschien, dass irgendwelche Rechner auf der »Anlage« derart sensible Daten wie E -Mails enthielten. Es war eher anzunehmen, dass die Daten auf nicht genau benannte Datenzentren verteilt wurden, lagerhausähnliche Komplexe mit Zehntausenden Computern an entlegenen Standorten auf der ganzen Welt. Und damit hatten sie natürlich recht. Die Computer hinter dem Glas hatten gerade ausgemustert werden sollen, als ein junger Mitarbeiter im Ubatoo-Team für Öffentlichkeitsarbeit auf die Idee kam, diesen Raum zu erhalten, um damit eine Gruppe von Erstklässlern zu beeindrucken – so lautete jedenfalls die Legende.
    Schließlich brachten die Führer ihre Schützlinge in Ubatoos größtes Auditorium – einen gewaltigen Saal, an dessen Gestaltung sich der Firmenboss Xiao Ming persönlich beteiligt hatte und der in jeder Hinsicht eine Ode an Xiao darstellte. Wie alle Ausschweifungen des Unternehmens lieferten auch dieser Raum, die damit verbundenen Kosten und sein Gestalter immer wieder Stoff für die Lokalzeitungen im Silicon Valley. Den ohnehin schon überladenen Raum, der den Eindruck machte, aus purem Gold zu bestehen, schmückten überdies Kronleuchter, überdimensionale Vorhänge und an drei von vier Wänden riesige Ölgemälde, die die Zehn Tiger von Kanton zeigten – eine Gruppe von zehn herausragenden Kung-Fu-Meistern in Südchina. Die vierte Wand bestand ausschließlich aus einer gigantischen weißen Projektionsfläche für Präsentationen.
    Mit der Zeit verzieh man Xiao solche Ausschweifungen, und aus dem Raum wurde »Xiaos Ballsaal«. Der Konzernchef äußerte sich nur ein einziges Mal zu dem Thema und sagte, er wolle lediglich einen stilvollen Rahmen haben, wenn Schauspieler kamen, um ihre weltläufigen Einsichten zum Besten zu geben, Wohlfahrtsorganisationen vorbeischauten, um bei den Geschäftsführern von Ubatoo Spenden zu sammeln, oder wenn, was noch wichtiger war, anlässlich einer Produkteinführung die Medien eingeladen wurden.
    Als Stephen diesen Raum betrat, sah er reihenweise cafeteriatypische, schlichte weiße Tische vor sich, auf denen LCD -Monitore, Tastaturen und Computer aufgebaut waren. Die Tourleiterin wies alle an, sich einen Platz an einem leeren Computer zu suchen und zunächst die Formulare auszufüllen, die auf dem Bildschirm angezeigt wurden.
    »Kleiner Tipp. Gewöhnen Sie sich an diese Umgebung«, sagte die Tourleiterin. »Sie werden eine Weile hier drin verbringen.« Und damit ließ sie Stephen und die
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