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Sieben Siegel 01 - Die Rückkehr des Hexenmeisters

Titel: Sieben Siegel 01 - Die Rückkehr des Hexenmeisters
Autoren: Kai Meyer
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Händen den Hals – das tat er oft, wenn er nicht weiter wusste. »Was machen die da drinnen?«
    »Was wohl?«, erwiderte Kyra. »Die feiern eine schwarze Messe.«
    Lisa schluckte. »Einen Hexensabbat?«
    »Irgendwas in der Art, klar.«
    »Du meinst wirklich«, fragte Nils zögernd, »das waren Hexen? «
    »Sahen die für dich etwa aus, als wären sie unterwegs zu einem Kaffeekränzchen?«
    »Aber Hexen reiten auf Besen«, warf Lisa ein.
    Kyra schüttelte entschieden den Kopf. »Nur im Märchen, du Dummkopf.«
    »Und die Handtaschen?«, warf Nils ein. »Und was ist mit den Fliegenden Fischen? Ich hab noch nie gehört, dass Hexen so was mit sich rumtragen.«
    Kyra verzog das Gesicht. »Ich auch nicht. Ich hab aber auch vorher noch keine echte Hexe gesehen.«
    »Du weißt ja gar nicht, ob die echt sind«, sagte Lisa ein wenig trotzig.
    Kyra nickte. »Stimmt. Deshalb werden wir’s rausfinden.«
    Die Geschwister starrten sie an, als hätte Kyra gerade verkündet, sie wolle ein Pfund Regenwürmer verspeisen.
    »Nun guckt nicht so«, sagte sie. »Kommt mit. Wir schauen uns die Sache mal näher an.«
    Nils sah sehr unentschlossen drein, obwohl dieser Vorschlag eigentlich auch von ihm hätte stammen können. Vielleicht ärgerte er sich auch nur, dass nicht er als Erster auf diese Idee gekommen war.
    »Ich weiß nicht«, meinte Lisa. »Sollen wir das wirklich tun?«
    »Willst du denn, dass immer mehr von diesen Frauen hier auftauchen?«, fragte Kyra. »Dann wird bald die ganze Stadt davon wissen. Und eure Eltern sind bestimmt die Ersten, die euch verbieten, noch mal hierher zu gehen. Kein Bahndamm mehr, kein Hügelgrab. Stubenarrest bis an euer Lebensende.«
    Freilich war allen klar, dass Kyra übertrieb – Übertreibungen waren eine ihrer Schwächen, auch wenn sie selbst das natürlich nie zugeben würde. Weil Kyra aber sah, dass Lisa noch immer unsicher war, spielte sie ihren letzten Trumpf aus.
    »Willst du denn«, fragte sie gedehnt, »dass sich die Erwachsenen darum kümmern müssen?«
    Dieses Argument zog immer. Weder Nils noch Lisa würden jemals offen eingestehen, dass es ein paar Dinge gab, mit denen Erwachsene einfach besser fertig wurden als Kinder.
    »Natürlich nicht«, gab Lisa empört zurück.
    Auch Nils schüttelte erbost den Kopf. »Lieber gebe ich dem alten Schwarzdorn was von meiner Weihnachtssch o kolade ab!« Das war nun wirklich undenkbar: Der Besitzer des Bestattungsinstituts galt als erklärter Feind aller Kinder.
    »Dann sind wir uns also einig?«, fragte Kyra und sah von einem zum anderen.
    Nils und Lisa nickten entschlossen. Neuer Wagemut funkelte in ihren Augen.
    Wenig später kletterten sie zwischen Brombeerranken die Böschung hinunter und eilten im Schatten der Hecken zum Kirchhügel. Der Wind war kälter geworden. Die Böen erweckten Sträucher und Wiesen zum Leben, überall war Bewegung, aus allen Richtungen ertönte Rascheln und geisterhaftes Flüstern.
    Kyra sah auf die Leuchtziffern ihrer Uhr. Kurz vor halb elf. In anderthalb Stunden war Mitternacht.
    Vorsichtig huschten sie an der Rückseite des Hügels empor. Es war wichtig, sich vom Weg und dem Pfarrhaus fern zu halten – das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten, war, dass der alte Pastor Berg sie vom Fenster seines Arbeitszimmers aus entdeckte. Außerdem hieß es im Dorf, er habe eine neue junge Haushälterin, und die hatte gewiss noch schärfere Augen als er.
    Der Friedhof umgab die Kirche als breiter Ring aus Grabmälern, schiefen Kreuzen und unleserlichen Schrifttafeln. Die ältesten Daten, die man entziffern konnte, stammten aus dem siebzehnten Jahrhundert. Dennoch galt es als sicher, dass einige der Grabstätten noch viel älter waren.
    Die Kinder erreichten die Friedhofsmauer. Die groben Bruchsteine machten das Klettern leicht, und in Windeseile standen die drei auf der anderen Seite. Ihnen allen war kalt.
    »Meine Knie zittern«, gestand Lisa im Flüsterton.
    »Meine auch«, sagte Kyra. »Das liegt am kalten Wind.«
    »Ja, genau«, pflichtete Nils eilig bei. Keiner von ihnen wollte zugeben, dass es vielleicht noch eine andere Ursache geben mochte.
    Gebückt schlichen sie zwischen den Gräbern zur Kirche. Ganz in der Nähe flatterte ein schwarzer Vogel vom Boden auf und stieg in den Himmel. Den Kindern stockte der Atem – einen Augenblick lang hatten sie geglaubt, ein Fliegender Fisch habe sie entdeckt.
    Steinerne Engel schälten sich um sie herum aus der Finsternis. Manche reckten die gefalteten Hände flehend zum
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