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Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Titel: Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
Autoren: Richard P. Feynman
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entspricht, nicht eben jene sind, die Ihnen den Gedanken zu dieser Theorie eingegeben haben, sondern daß sich durch die fertige Theorie darüber hinaus noch etwas anderes ergibt.
    Kurz, es geht darum, alle Informationen zu liefern, durch die andere den Wert Ihres Beitrags beurteilen können, und nicht nur jene Informationen, die zu Urteilen in dieser oder jener bestimmten Richtung führen.
    Am leichtesten läßt sich dieser Gedanke erläutern, wenn man ihn zum Beispiel mit der Werbung vergleicht. Gestern abend habe ich gehört, daß Wesson-Öl nicht in Speisen einzieht. Nun, das stimmt. Es ist nicht gelogen; aber bei dem, worüber ich spreche, geht es nicht darum, nicht unehrlich zu sein, sondern um wissenschaftliche Integrität, und das ist eine ganz andere Ebene. Die Tatsache, die jener Behauptung in der Werbung hinzugefügt werden müßte, ist, daß kein Öl in die Speise einzieht, wenn es bei einer bestimmten Temperatur verwendet wird. Wird es hingegen bei einer anderen Temperatur verwendet, dann zieht jedes Öl - das Öl der Firma Wesson eingeschlossen - in die Speise ein. Was vermittelt worden ist, ist also die Implikation und nicht die Tatsache, die zutrifft, und das, womit wir es zu tun haben, ist der Unterschied zwischen beiden.
    Wir wissen aus Erfahrung, daß die Wahrheit am Ende herauskommt. Andere Leute werden Ihr Experiment wiederholen und herausfinden, ob Sie recht hatten oder nicht. Die Naturphänomene werden mit Ihrer Theorie übereinstimmen oder nicht. Und obwohl Sie zeitweise Ruhm ernten und Begeisterung auslösen mögen, werden Sie keinen guten Ruf als Wissenschaftler gewinnen, wenn Sie bei dieser Arbeit nicht versucht haben, sehr genau zu sein. Und es ist diese Art von Integrität, dieses wachsame Bemühen, sich selbst nichts vorzumachen, woran es vielen Forschungen der Cargo-Kult-Wissenschaft in hohem Maße mangelt.
    Ein Gutteil ihrer Schwierigkeiten rührt natürlich vom Subjekt und von der Nichtanwendbarkeit der wissenschaftlichen Methode auf das Subjekt her. Trotzdem sollte man nicht aus den Augen verlieren, daß die Schwierigkeiten nicht nur daher rühren. Da liegt der Grund dafür, daß die Flugzeuge nicht landen - zunächst aber ist es einfach eine Tatsache, daß sie nicht landen.
    Aus Erfahrung wissen wir eine Menge darüber, wie wir mit einigen der Möglichkeiten, uns selbst etwas vorzumachen, umgehen können. Dazu ein Beispiel: Millikan hat die Ladung eines Elektrons durch ein Experiment gemessen, bei dem er fallende Öltropfen verwendete, und er erhielt ein Resultat, von dem wir heute wissen, daß es nicht ganz richtig ist. Es liegt ein bißchen daneben, denn er benutzte einen unzutreffenden Wert für die Viskosität der Luft. Es ist interessant, sich die Geschichte der Messungen der Elektronenladung nach Millikan anzusehen. Wenn man sie als Funktion der Zeit darstellt, stellt man fest, daß die nächste ein bißchen höher liegt als die von Millikan, und die darauf folgende liegt noch ein wenig höher als jene und die nächste wiederum etwas höher, bis sie sich schließlich bei einer Zahl einpendeln, die eben höher liegt.
    Warum hat man nicht gleich entdeckt, daß die neue Zahl höher lag? Die Wissenschaftler schämen sich deswegen - wegen dieser Geschichte -, denn offenbar haben die Leute folgendes gemacht: Wenn sie eine Zahl bekamen, die zu hoch über der von Millikan lag, nahmen sie an, es könne irgend etwas nicht stimmen - und dann suchten sie und fanden auch tatsächlich einen Grund dafür, warum möglicherweise irgend etwas nicht stimmte. Und wenn sie eine Zahl bekamen, die näher an Millikans Wert lag, prüften sie nicht so genau nach. Und auf diese Weise eliminierten sie die Zahlen, die zu weit daneben lagen, und taten noch andere ähnliche Dinge. Wir kennen diese Tricks heute und leiden jetzt nicht mehr unter dieser Krankheit.
    Doch diese lange Geschichte, in der wir gelernt haben, uns nichts vorzumachen - äußerste wissenschaftliche Integrität zu wahren -, ist leider etwas, was wir meines Wissens nicht speziell zum Thema eines besonderen Kurses gemacht haben. Wir hoffen eben, daß es sich Ihnen gleichsam durch Osmose mitgeteilt hat.
    Der oberste Grundsatz ist, daß Sie sich nichts vormachen dürfen - und sich selbst können Sie am leichtesten etwas vormachen. In der Beziehung müssen Sie also sehr vorsichtig sein. Wenn es Ihnen gelungen ist, sich selbst nichts vorzumachen, wird es Ihnen auch leichtfallen, anderen Wissenschaftlern nichts vorzumachen. Dann brauchen Sie
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