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Sherry Thomas

Sherry Thomas

Titel: Sherry Thomas
Autoren: Eine fast perfekte Ehe
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die hemmungsloseste erotische Vorstellung gewesen,
die sie in ihrem Leben je gehabt hatte, was sie jedoch dabei erstaunte, war
der Übermut, der daraus sprach, diese überschwängliche Zuversicht, während sie
sich eigentlich gerade niedergeschlagen und hilflos fühlte.
    Sie liebte ihn. Wenn sie in ihrer
Jugend gewillt gewesen war, sich vollkommen unmoralisch zu benehmen, wieso dann
nicht jetzt etwas tun, was niemand moralisch beanstanden konnte? Sich zum
Beispiel nackt zu ihm ins Bett zu legen? Man denke nur an die unbegrenzten
Möglichkeiten, die sich daraus ergeben mochten!
    Bei der Vorstellung lachte sie leise.
Sie war wirklich kein braves Mädchen. Und Camden hatte sie dafür angebetet.
    Also gut. Damit war es entschieden.
Sie würde nach New York reisen. Und nicht zurückkehren, bevor sie Mrs. Rowland
mitteilen konnte, dass sie bald Großmutter werden würde.

Kapitel 27
    2. September 1893
    Victorias zunächst wöchentlich geplante
Verabredung mit dem Duke zum Tee fand tatsächlich in dieser Form nur zwei Mal
statt. Danach trafen sie sich doppelt so oft. Zumindest anderthalb Wochen lang.
Anschließend standen sie täglich an Victorias Gartenzaun in eine angeregte
Unterhaltung vertieft, wenn er bei seinem Spaziergang an ihrem Cottage
vorbeikam. Dabei bat er sie dann, ihn künftig doch zu begleiten, ein Angebot,
das sie annahm. Seitdem gingen sie jeden Tag miteinander spazieren.
    Eine ältere Frau zu sein hatte auch
Vorteile, wie Victoria feststellte. In ihrer Jugend war sie stets über die Maßen
bemüht gewesen, dass auch nur ja alle Welt sie für perfekt hielt. Also gab sie
nichts als Allgemeinplätze von sich, die ungefähr so faszinierend gewesen sein
mussten wie der dünne Haferschleim, den man einem Kranken kochte.
    Erstaunlich, wie dreißig Lebensjahre
eine Frau verändern konnten. Erst gestern zum Beispiel, als sie mit dem Duke
durch ihren Garten schlenderte. Sie hatte ihn ungeniert verblendet genannt,
weil er nicht zu erkennen vermochte, dass Achilles und Patroklos mehr verband
als reine Freundschaft. Wieso versank ein Mann sonst in eine solche Trauer,
dass er in seinem Wahn nicht erlaubte, den Leichnam des Toten zu verbrennen?
    Doch der Duke gab sich starrsinnig
und sang das Ho helied auf die Freundschaft. Romantische Liebe, so wie man sie
heutzutage in Europa kannte, war als Idee erst im Mittelalter entstanden. Wer
sagte denn, dass die Freundschaft zwischen Männern nicht tiefer und
gefühlvoller gewesen war, bevor man Haus und Herd zum Mittelpunkt der
menschlichen Existenz erklärt hatte?
    Auch heute, bei einem kurzen Gang
durch seine Gärten, hatten sie sich schon wieder bei verschiedenen Streitfragen
nicht einigen können, angefangen von den Meriten verschiedener Versmaße bis hin
zu George Bernard Shaw. Der Duke hatte einige ihrer Ansichten ganz ungehemmt
als lächerlich bezeichnet. Zu ihrer eigenen Freude hatte sie mit gleicher Münze
zurückgezahlt und einige seiner Ausführungen als einfältig deklariert – und
zwar wortwörtlich und rundheraus.
    »Ich habe in meinem ganzen Leben
noch nie so viel Widerspruch gehört«, erklärte er, während sie sich
wieder dem Haus näherten.
    »Sie Armer«, neckte Victoria
ihn. »Da müssen Sie aber ein sehr behütetes Leben geführt haben.«
    Einen Moment lang schien er
verwirrt. »Behütet? Da dürften Sie nicht ganz unrecht haben. Andererseits sollte
eine vornehme Dame wie Sie doch wissen, dass sie sich zumindest bemühen sollte,
nicht immer anderer Meinung zu sein als ich?«
    »Nur falls ich es darauf abgesehen
hätte, Sie einzuwickeln, Eure Gnaden.«
    »Und das haben Sie nicht?«
    Sie schenkte ihm einen
Augenaufschlag. »Wieso sollte ich mich an einen so eigensinnigen Mann fesseln,
wenn ich bereits alle Vorteile des Lebens wie Vermögen und einen künftigen
Duke als Schwiegersohn besitze?«
    »Derzeit noch.«
    »Dann haben Sie es also noch nicht
gehört? Meine Tochter hat Lord Frederick aus seinem Verlobungsversprechen
entlassen und ist mit der Lucania Richtung New York in See gestochen.
Dort lebt ihr Gemahl.«
    »Und deshalb verzehren Sie sich nun
nicht länger nach einem eigenen Duke?«
    »Vorübergehend zumindest«,
antwortete sie bescheiden.
    »Hm.« Der Duke hatte ein Faible
für Absurditäten. Dass sie nur halb Jagd auf ihn machte, war zwischen den beiden
zu einem freundschaftlichen Dauerscherz geworden.
    Victoria lächelte. Trotz seiner
zweifelhaften Vergangenheit und seinem Spaß daran, weniger hochgestellte Zeitgenossen
einzuschüchtern, war er
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