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Sherlock Holmes - Im Zeichen der Vier

Sherlock Holmes - Im Zeichen der Vier

Titel: Sherlock Holmes - Im Zeichen der Vier
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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uns angesprochen hatte, kletterte auf den Kutschbock, während wir drinnen Platz nahmen. Wir hatten uns kaum gesetzt, als der Fahrer auch schon dem Pferd die Peitsche gab, und mit einem Ruck ging's los, in einem wilden Tempo durch die nebligen Straßen.
    Es war eine merkwürdige Situation: Der Ort, wohin wir fuhren, und der Zweck dieser Fahrt waren
    unbekannt. Entweder war's ein kompletter Schwindel oder Schabernack - eine kaum vorstellbare
    Hypothese — oder wir hatten guten Grund zu der Annahme, daß bedeutsame Ergebnisse von unserer
    Fahrt abhingen. Miß Morstan wirkte entschlossen und gesammelt, wie immer. Ich bemühte mich, sie mit Erinnerungen an meine Abenteuer in Afghanistan zu erheitern und zu unterhalten. Aber, um die Wahrheit zu sagen, ich war selbst so aufgeregt und so gespannt, wohin die Reise ging, daß meine Geschichten etwas durcheinander kamen und leicht verworren wirkten. Noch heute behauptet sie, ich hätte ihr eine bewegende Geschichte erzählt von einer Muskete, die mitten in der Nacht in mein Zelt hineinschaute, und wie ich ein doppelläufiges Tiger-Junges darauf abfeuerte. Zunächst hatte ich noch eine ungefähre Ahnung, in welche Richtung wir fuhren, aber bald verlor ich völlig meine Orientierung, was bei unserem Tempo, dem Nebel und meiner begrenzten Kenntnis von London nicht zu verwundern war, und wußte nur noch, daß wir offenbar schon sehr lange unterwegs waren. Sherlock Holmes' Ortssinn versagte allerdings nie. Er murmelte die Namen der Plätze und gewundenen Nebenstraßen, während die Droschke sie
    rasselnd passierte.
    »Rochester Row«, sagte er. »Das ist jetzt Vincent Square. Nun kommen wir bei der Vauxhall Bridge Road heraus. Jetzt geht's offenbar auf die Surrey-Seite zu. Ja, das dachte ich mir. Ab und zu kannst du einen Blick vom Fluß erhaschen.«
    Wir bekamen tatsächlich flüchtig ein Teilstück der Themse zu sehen, mit den Lampen am Ufer, die auf das breite, stille Wasser schienen. Aber unsere Droschke raste weiter und fuhr bald durch ein
    kompliziertes Straßen-Labyrinth auf der anderen Seite.
    »Wordsworth Road«, sagte mein Freund. »Priory Road. Lark Hall Lane. Stockwell Place. Robert Street.
    Cold Harbour Lane. Unser Mann scheint uns nicht gerade in eine sehr vornehme Gegend zu bringen.«
    Wir hatten tatsächlich ein fragwürdiges und abstoßendes Viertel erreicht. Lange Reihen von eintönigen Backsteinhäusernwurden nur von dem grellen Schein und aufgedonnerten Glanz der Gasthäuser an der Ecke abgelöst. Dann kamen Reihen von zweistöckigen Villen, jede mit einem Miniaturgarten davor, und dann wieder nicht endenwollende Häuserzeilen von neuen, knalligen Backsteingebäuden. Es waren die Riesenfühler, welche die gigantische Stadt aufs Land hinausstreckte. Schließlich hielt die Droschke vor dem dritten Reihenhaus in einer neuen Gartenstraße. Keines der anderen Häuser war bewohnt, und das, vor dem wir hielten, war ebenso dunkel wie die Nachbarhäuser, außer einem schwachen Lichtschimmer, der aus dem Küchenfenster drang. Auf unser Klopfen wurde die Türe augenblicklich von einem indischen Diener aufgerissen, der einen gelben Turban, ein weißes loses Gewand und eine gelbe Schürze trug.
    Diese orientalische Gestalt wirkte im Türrahmen eines ganz gewöhnlichen drittklassigen Vororthauses merkwürdig deplaziert.
    »Der Sahib erwartet Sie«, sagte er, und noch während er sprach, kam eine hohe, piepsende Stimme irgendwo von drinnen:
    »Führe sie zu mir herein, Khitmutgar«, sagte sie. »Bringe sie sofort zu mir herein.«

4. KAPITEL
    Die Geschichte des kahlköpfigen Mannes
    Wir folgten dem Inder einen schmutzigen Gang entlang, schlecht beleuchtet und noch schlechter
    ausgestattet, bis zu einer Tür auf der rechten Seite, die er aufriß. Grelles gelbes Licht fiel auf uns, und im Zentrum des blendenden Scheins stand ein kleiner Mann mit einem überdimensionalen Kopf und einer kahlen, glänzenden Glatze, die wie eine Bergspitze aus einem Kiefernwäldchen aus einem schmalen Kranz roter Haarborsten emporstieg. Er wrang seine Hände, während er so dastand, und sein Gesicht war in ständiger ruckartiger Bewegung, eben noch heiter, dann sich verfinsternd, aber nie für einen Augenblick entspannt und in Ruhe. Die Natur hatte ihn mit einer Hängelippe ausgestattet und einer zu sichtbaren Reihe gelber und unregelmäßiger Zähne, die er bestrebt war zu verbergen, indem er sich ständig mit der Hand durchs Gesicht fuhr. Trotz seiner aufdringlichen Kahlköpfigkeit wirkte er
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