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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
Autoren: Ian Rankin
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Mehrere Dinge fielen ihm ins Auge: eine gescheiterte Ehe, die mit erbitterten Streitigkeiten und Anwaltsschulden geendet hatte; ein Alkoholproblem; wiederholtes Getändel mit illegalen Drogen – ein bisschen Speed und Koks, dazu Gras (aber andererseits gab es in Kalifornien kaum jemanden, der nicht gekifft hätte) -, mehrere erfolglose Beziehungen seit der Scheidung. Keine Kinder. Und jetzt eine Story, die einfach nicht von der Stelle kam – eine Situation, an der Reeve ohne weiteres zerbrechen konnte. Es gab einen Bruder, aber das war niemand von Bedeutung. Und keine mächtigen Freunde, keine wirklichen Verbündeten.
    Er summte Alexis an und bat sie, ihm Kaffee zu bringen, koffeinfrei und mit fettarmer Milch. Dann holte er sein ledergebundenes Adressenbüchlein heraus und wählte eine Nummer in Los Angeles.
    »Ich bin’s«, sagte er in die Sprechmuschel. »Wie schnell können Sie hier sein?«

3
    James Reeve wachte an diesem Morgen mit dem vertrauten mulmigen Gefühl auf.
    Am vorigen Abend hatte er ordentlich getankt, aber das war nicht weiter ungewöhnlich. Im Laufe seines Lebens war er aus mehr Kneipen rausgeflogen, als er sich erinnern mochte. Das Motelzimmer kam ihm nicht bekannt vor, bis sein Blick auf den großen Koffer – seinen Koffer – fiel, der seinen Inhalt teilweise auf den olivgrünen Teppichboden erbrochen hatte. Ja, das kam ihm durchaus bekannt vor. In genau diesem Zustand hatte er den Koffer schon überall in den USA, in Europa und Fernost gesehen. Der Koffer war wahrscheinlich weiter herumgekommen als der größte Teil der Menschheit.
    Er brauchte ein paar Minuten, um das Badezimmer zu erreichen; zwischendurch wurde ihm schwindlig, und er musste sich kurz auf das Fußende des Bettes setzen und die Augen zukneifen: Kopfschmerz, weiße Blitze – eine Lightshow, wie sie eigentlich für Vietnamveteranen vorgesehen sein sollte: gewaltige Phosphorexplosionen im trüben Medium seiner Augäpfel.
    »Ich bin nicht zum Saufen geschaffen«, sagte er sich und griff nach der ersten Zigarette des Tages, wusste im selben Moment, dass es ein Fehler war, wusste es, als er sie sich zwischen die Lippen steckte, als er sie anzündete und inhalierte.
    Anschließend hätte er sich fast mit der Kehrschaufel vom Fußboden aufsammeln können. Mann, tat das weh, und beschissen schmeckte es auch. Aber es war notwendig. Die pure Sucht, wie mit dem Saufen. Manche Männer waren zum Trinken geboren: sie hatten jede Menge Körpermasse, die den Alkohol wie ein Schwamm aufsaugte, und ein Gehirn, das den Begriff des Katers nicht mal vom Hörensagen kannte. Er dagegen war dünn und schlaksig – und Herrjesus, er kriegte jedes Mal einen Kater! Seine Leber musste mittlerweile die Größe eines Schafskopfes haben. Ein reines Wunder, dass sie seine übrigen Organe nicht schon längst verdrängt, glatt vom Feld gefegt hatte. Er trank gern, hasste es aber, betrunken zu sein. Wenn er aber erst einmal betrunken war, gingen natürlich sämtliche Widerstände flöten, und so trank er weiter. Das war ein Problem. Das war mit Sicherheit ein Problem.
    Warum trank er überhaupt?
    »Ich trinke, also bin ich«, argumentierte er und stemmte sich ein weiteres Mal vom Bett hoch. Er lächelte gegen den Schmerz an. Vielleicht hätte sein Bruder diese Lebensphilosophie zu würdigen gewusst. Vielleicht war es aber auch die falsche Lebensphilosophie. Aus Gordon war er noch nie schlau geworden. Er hatte den Verdacht – nein, zum Teufel, er wusste -, dass Gordon im SAS oder einer der anderen quasi-geheimen Spezialeinheiten der britischen Armee gewesen war. Er wusste das genauso sicher, wie er wusste, dass er bis zum Bad nur noch knapp dreihundert Meter zu bewältigen hatte. Vielleicht könnte ich es ja auf allen vieren versuchen, dachte er, vielleicht wäre alles einfacher, wenn ich zur Horizontalen zurückkehren würde, zurück zur Natur, zur innigen Zwiesprache mit meinen animalischen Mitgeschöpfen. Scheiße, Mann, wir sind in Kalifornien, die Idee könnte durchaus einschlagen. Das hatte jede andere Idee ja schließlich auch getan. Man konnte hier zum Chili con Carne Tai-Chi machen oder seine Kinder in eine satanistische Kita schicken. Jeder Spinner weltweit schien früher oder später mit seiner genialen Idee hier zu landen, mit irgendeinem das Leben verändernden Quatsch, der sich vielleicht zu Geld machen lassen würde. Wenigstens einen Idioten, einen leicht zu linkenden Jünger, fand man immer.
    Ich bin Journalist, dachte er. Überzeugen ist
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