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Schule versagt

Schule versagt

Titel: Schule versagt
Autoren: Inge Faltin , Daniel Faltin
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impliziert Kompetenz
und
Charakter. Das eine ohne das andere funktioniert nicht. Wer Wissen vermittelt, ohne charakterliche Reife zu besitzen, ohne eine »Überflussmentalität«, die gibt statt zu nehmen, wird keinen nachhaltigen Erfolg bei der Entwicklung der charakterlichen Reife seiner Schüler haben. Die Stimme der Vertrauenswürdigkeit äußert sich für die Schüler in Motivations- und Verhaltensmustern wie Versprechen, die man gegeben hat, einzuhalten; offen für konstruktive Vorschläge zu sein und flexibel damit umzugehen; flexibler Umgang bedeutet, das Feedback, das von den Schülern kommt, als Möglichkeit zur Korrektur des eigenen und des gemeinsamen Weges zu sehen; von innen heraus lebensfroh, freundlich und respektvoll zu sein; die Fähigkeit und Bereitschaft, Fehler einzugestehen und sich zu entschuldigen; nicht nachtragend zu sein; gegenseitige Erwartungen abzuklären und aufeinander einzustellen; das bedeutetnicht a priori Übereinstimmung, sondern die Fähigkeit zum Kompromiss und zur Korrektur von Entscheidungen und Erwartungen auf beiden Seiten mit der Zielrichtung des Gewinn-Gewinn-Denkens.
    Überhaupt ist die »Abundance Mentality«, das Abgeben von meinem Wissen, meinen Erfahrungen und Erkenntnissen immer ein Gewinn-Gewinn-Denken. Die Schüler gewinnen in diesem Prozess des wachsenden gegenseitigen Vertrauens und die Lehrer gewinnen ebenso. In einer Win-Lose-Situation kann Vertrauen ebenso wenig gedeihen wie in der Lose-Win-Konstellation oder gar im Lose-Lose-Paradigma. Das Burn-out-Syndrom ist am weitesten dort verbreitet, wo die Persönlichkeit nicht mit der selbst gesetzten Aufgabe übereinstimmt: bei den Pragmatikern und bei den Hedonisten. Die engagierten Lehrer stellen nur zehn Prozent der Burn-out-Fälle. 4
    4.   Andere inspirieren!
    Das lateinische Verb »inspirare« bedeutet »einen anderen Menschen mit Leben beatmen«, ihm psychisch gesehen Luft zum Atmen zu geben. Das trifft sie genau, die Aufgabe der Lehrer. Einem anderen Menschen psychische Luft zu geben ist natürlich nur möglich, wenn ich selbst genug Atem habe. Die ersten drei Thesen sprechen davon. Jetzt gilt es, diesen Atem weiterzugeben. Aber nicht so, dass wir anderen unsere Art zu atmen, unseren Rhythmus, gar unsere verbrauchte Luft zumuten, sondern dass wir sie inspirieren, ihren ganz eigenen Weg zu gehen, ihren ganz eigenen Atemrhythmus zu finden.
    Das bedeutet zunächst, die Fähigkeit zur Kreativität zu besitzen und in seinem eigenen Verhalten zum Ausdruck kommen zu lassen. Offen gestanden habe ich in meiner Zeit in der Schule kaum Kollegen erlebt, die im wahrsten Sinn des Wortes kreativ waren. Kreative Menschen sind fähig zu staunen. Picasso hat einmal gesagt: »Es dauert sehr lange, um jung zu werden.« Der Künstler meinte damit, dass der künstlerische Prozess die kindliche Sicht der Dinge, das unverbrauchte, spontane Wahrnehmen und eben auch das Staunen einschließt. Wenn man voraussetzt, dass auch das Leben eine Kunst ist, heißt das, dass in diesem Sinne verstanden jeder ein Künstler werden kann. Mir ist aufgefallen, wieabgeklärt sich viele Kollegen gaben, wie wissensüberlegen, wie »alt«. Sie klammerten sich an Schulbuchwissen und waren unempfänglich für spontane Überlegungen, die das Althergebrachte infrage stellten. Dabei bedeutet »spontan« im Wortsinn gar nicht »schnell« oder »unüberlegt«. Eine Schnapsidee, ein unüberlegter Impuls sind nicht »spontan«, denn das Wort bedeutet im Lateinischen »aus freien Stücken«, also »aus sich selbst heraus«. Michael Ende hat es in der ›Unendlichen Geschichte‹ mit »Tu, was du willst« übersetzt. Das ist das Schwierigste überhaupt. Die meisten Menschen wissen nicht, was sie wollen. Sie wissen, was sie zu wollen haben, und viele halten das für ihren eigenen Willen, weil es ihnen Erwartens- und Orientierungssicherheit gibt. Aber sie sind nichts als einer der vielen Social Mirrors. Ein Lehrer darf keiner sein, wenn er inspirieren will.
    Einen anderen Menschen zu inspirieren, sein genuines Selbst zu entdecken und zu entfalten, ist ein zentrales Ziel jeder Lehrtätigkeit. Dabei ist der Lernprozess im kognitiven und im emotionalen Sinn eingeschlossen. Die Realisierung der Individualität, des »Tu, was du willst«, weil du weißt, wer du bist, wo du stehst und wohin du gehen möchtest, impliziert beides: selbstdiszipliniertes Studium (also Arbeit) und den psychischen Entwicklungsprozess bis hin zur Reife. Der Begriff »Hochschulreife« macht diese
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