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Schuld währt ewig

Schuld währt ewig

Titel: Schuld währt ewig
Autoren: Inge Löhnig
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by cop.
    Er wählte Ginas Nummer und sprach mit gesenkter Stimme. »Ich bin im Haus. Vierte Etage. Die beiden sind auf dem Dach. Kannst du sie sehen?«
    »Ja. Sie stehen zwischen dem Zugang zum Haus und den Aufbauten der Klimaanlage. Sie scheinen zu reden. Ulrike hat eine Waffe in der Hand. Also unternimm nichts, bevor die Jungs vom SEK da sind. Die müssen jeden Augenblick kommen. Besser, du gehst wieder runter.«
    »Erst wenn die Kollegen da sind.«
    »Pass auf dich auf.«
    »Mache ich. Habt ihr einen Mann gesehen? Groß, langhaarig. Holzfällerhemd.«
    »Ja. Er hat mir gesagt, dass du drinnen bist.«
    »Gut.« Dühnfort legte auf. Der Holzfäller war aus der Schusslinie und spielte nicht weiter den Helden. Mit leisen Schritten nahm Dühnfort die Stufen zur Tür und legte seine Hand auf die Klinke. Draußen pfiff der Wind und pladderte der Regen. Vorsichtig schob er die Tür einen Spaltbreit auf.
    Etwa sechs Meter von ihm entfernt entdeckte er sie. Ulrike rechts, halb abgewandt. Susanne Möbus ihr gegenüber. Sie sprachen. Gut gemacht, dachte Dühnfort. Halte sie hin, rede mit ihr. Zwei Minuten noch, und dann werden wir ihr zeigen, mit wem sie es zu tun hat.

86
    »Du willst wirklich wissen, warum? Das ist doch ganz einfach. Weil du zu den Davongekommenen gehörst, genau wie der Oberhausner, der Suffkopf, der mein Leben zerstört hat. Ihr laviert euch durch, ihr lügt und betrügt, ihr schleimt rum und heischt nach Mitleid und bekommt es. Weil ihr hübsch seid, so wie du. Verrate mir doch mal, was du tun musstest, damit du ohne Prozess davongekommen bist. Musstest du mit dem Staatsanwalt in die Kiste? Ja?«
    Sanne stand wie erstarrt. Woher kam all dieser Hass? Instinktiv spürte sie, dass sie sich jedes Wort der Verteidigung sparen konnte. Uli würde ihr nicht glauben, weil sie ihr nicht glauben wollte. Selbst wenn sie ihr hier und jetzt Evelyns Überwachungsvideo zeigen könnte, würde das nichts ändern.
    »Oder einer ist erfolgreich, wie Jens«, fuhr Uli fort. »Der überfährt ein kleines Mädchen, und was passiert? Nichts. Und das nennt sich Rechtsstaat. Der Herr Architekt ist bekannt, hat Beziehungen. Da regelt man das unter sich. Oder man macht auf alt und gebrechlich und ist außerdem seit Menschengedenken in der CSU , wie der Oberhausner. Unter Parteifreunden kann man schon mal verhandeln. Geldstrafe reicht doch. Oder man ist ohnehin gestraft genug. Da hat die Justiz dann Mitleid. Arme Martina. Wie muss sie sich fühlen, nachdem sie ihre Freundin ersäuft hat. Arme Frau Hasler. Welch ein Schlag, ein solches Unglück erleben zu müssen.« Ulis zynischer Tonfall änderte sich abrupt. »Nachsicht mit den Tätern. Keine Gnade mit den Opfern. Da kriege ich das Kotzen!«
    Uli schien den Regen nicht zu bemerken. Wie weggetreten spuckte sie die Worte aus, ihre Tirade aus Hass und Vorurteilen.
    Sanne spürte ihre Hände nicht mehr, die Beine wurden taub vor Kälte. Wasser lief aus den Haaren in den Nacken und in den nassen Pulli. Die Jeans klebte kalt auf der Haut.
    Ulis Gesicht war bleich, die Lippen grau. Doch in ihren Augen brannte ein fanatisches Feuer. Mit fuchtelnder Hand spie sie Wort um Wort aus. Sanne hoffte verzweifelt, dass Uli wirklich mit der Pistole umgehen konnte und sich nicht aus Versehen ein Schuss löste.
    »Keine Sau hat mich gefragt, wie es mir geht. Das Abi konnte ich nach etlichen OP s und Rehas vergessen. Die Prüfungen waren vorüber. Selbst wenn ich es im Folgejahr noch einmal versucht hätte, wäre es für den Arsch gewesen, denn ich wollte Medizin studieren. Chirurgin wollte ich werden. Hast du das gewusst?«
    Sanne schrak zusammen. Was sollte sie sagen?
    »Hast du das gewusst?«
    Es war etwa anderthalb Jahre her, auf einer Geburtstagsfeier, da hatte Arno von Ulrikes Traum gesprochen, Medizin zu studieren. Er war ziemlich angetrunken gewesen. Bei ihren Noten war das aber nicht drin. Auch schon vor dem Unfall nicht. Sie retuschiert da ihre Erinnerungen ganz schön. Es ist ja auch einfacher, dem alten Oberhausner die Schuld zu geben, als auf das eigene Versagen zu gucken. Für alles, was ihr im Leben missglückt, muss der Unfall als Rechtfertigung herhalten. Ich kann es nicht mehr hören. Lange halte ich das nicht mehr aus.
    Einige Monate später hatte Arno sich von Uli getrennt und sie gebeten, auszuziehen. Denn das Haus gehörte ihm. Er hatte es von einem Onkel geerbt.
    »Ob du das gewusst hast!«
    »Arno hat mal davon gesprochen.«
    »Arno. Aha. Hat er dir auch gesagt, dass man als
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