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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition)
Autoren: Doris Lessing
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sich bis heute gut verkauft. Aber es war ein Roman, an den ich denken sollte. Also dachte ich lange und angestrengt über das Buch nach, das
Martha Quest
werden würde.
    Die
Afrikanische Tragödie
war ein Erfolg, weil die Leute mich für eine Schriftstellerin hielten. Ich wusste, dass ich das einmal werden würde – davon war ich, wie ich heute weiß, schon als Kind überzeugt. Das hatte ich vergessen und geglaubt, die Entscheidung zum Schreiben wäre erst später gekommen, aber als
Unter der Haut
herauskam, erzählte mir Daphne Anderson – die mich aus der Klosterschule kannte und einen bewundernswerten Bericht über ihre Kindheit,
Toe-Rags
, geschrieben hatte –, dass sie sich erinnerte, wie wir, auf meinem Bett sitzend, uns im Schlafsaal darüber unterhalten hatten, was wir einmal werden wollten, und da hätte ich gesagt, ich wolle Schriftstellerin werden. Ich muss damals zehn oder elf gewesen sein. Aber die Existenz als Schriftsteller ist ein Phantom, ist eine Sirene, die unzählige junge Menschen tröstet und denen Stärke verleiht, die auf hoher See sind, es wissen und einen Weg jenseits der Anpassung an die Verhältnisse suchen. Ich gab meinen Job in der Anwaltskanzlei in Salisbury auf, sagte, ich wolle einen Roman schreiben, denn irgendwann musste ich aufhören, darüber zu reden, und es tun. Außerdem war mir klar geworden, dass die idealen Umstände – wie Einsamkeit, Zeit, Sorgenfreiheit – nie eintreten würden. Worüber sollte ich schreiben? Ich hatte viele Ideen für ein Buch. Ich versuche mir zu vergegenwärtigen, wie ich herumsaß, stundenlang im Zimmer hin und her wanderte und, unerlässlich, meine Gedanken schweifen ließ, mir Zeit nahm, und das alles instinktiv. Aus den vielen Ideen schälte sich eine heraus … wurde stärker … ich erinnerte mich an die Unterhaltungen auf den Veranden, Nährboden für tausend mögliche Geschichten, ich erinnerte mich an den kleinen Zeitungsausschnitt, den ich all die Jahre hindurch aufbewahrt hatte. Und so schrieb ich die
Afrikanische Tragödie
. Erste Romane sind gewöhnlich autobiografisch. Die
Afrikanische Tragödie
ist es nicht. Dick Turner, der gescheiterte Farmer, ist eine Gestalt, die mir zeitlebens immer wieder begegnet war. Lediglich eine Minderheit der weißen Farmer war erfolgreich. Die meisten scheiterten. Einige mühten sich jahrelang erfolglos ab. Andere hassten das Land. Manche liebten es, wie Dick Turner. Wieder andere waren Idealisten – wie mein Vater, der, wenn er heute Landwirtschaft betriebe, Dünger und Pestizide ebenso verschmähen würde wie Pflanzen, die den Boden auslaugen, ein Freund der Tiere und Vögel. Das Vorbild für Mary Turner war eine Frau, die ich viele Jahre gekannt hatte, eine der Frauen aus dem Sports Club. Wenn wir einen Ausflug in den Busch machten, um ein Picknick abzuhalten oder einfach nur dazusitzen, um ihn in uns aufzunehmen – denn das taten viele Weiße aus der Stadt, als wäre die Stadt lediglich eine unglückliche Fügung und der Busch der Ort, zu dem sie gehörten –, dann pflegte diese Frau, die sich ihr jugendliches Aussehen bis in die Vierziger bewahrte, eine nette Frau, jedermanns freundliche Schwester, auf einem Felsblock zu sitzen mit hochgezogenen Beinen und eng um die Knie geschlungenen Armen, über jene hinwegblickend, um zu sehen, ob eine Ameise oder ein Chamäleon oder ein Käfer an ihrer Hose hochkroch. Wenn sie so viel Angst vor dem Busch hatte – weshalb hat sie dann an diesen Picknicks teilgenommen? Sie tat es, weil sie nett war und als Frau immer das tat, was die anderen taten oder von ihr erwarteten. Sie war im Grunde eine Frau der Stadt, der Straßen, der hübschen, gezähmten Gärten … Ich beobachtete sie und fragte mich, was in aller Welt würde sie tun, wenn das Schicksal sie auf irgendeine Farm verschlüge, nicht eine der neuen, großen, reichen Farmen, sondern auf eine, die sich gerade über Wasser halten konnte, wie die Farmen, die ich gesehen hatte, und ich ließ die Namen der armen Farmer in meinem Kopf Revue passieren und sah die schmalen Ziegelsteinveranden, die Wellblechdächer, die sich in der Hitze und der Kälte ausdehnten und zusammenzogen und aufrissen, sah den Staub, hörte das Kreischen der Zikaden … und dann hatte ich es, ich hatte sie, ich hatte Mary Turner, die Frau, die den Busch und die Eingeborenen und alle natürlichen Prozesse hasste, die Sex hasste, die es sauber und ordentlich mochte, deren Kleid immer frisch gebügelt war, wenn sie es
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