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Schreib und stirb (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)

Schreib und stirb (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)

Titel: Schreib und stirb (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
Autoren: Ursula Reist
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zog fragend die Brauen hoch. „Ich dachte, er heisst Paul?“
    „Pavel Beniak. Seine Eltern flüchteten 1968 mit ihm und der älteren Schwester aus der damaligen Tschechoslowakei hierher. Er war ein echter Exot an der Kantonsschule, alle kannten ihn. Ein Streber, gescheit, machte manche Lehrer wahnsinnig, weil er mehr wusste als sie und sie damit provozierte. Zudem war er natürlich älter als seine Klassenkameraden.“ Marina legte die Arme um Nicks Hals. „Und als sich dann herausstellte, dass er schwul war, weinte eine ganze Anzahl von hübschen weiblichen Maturandinnen.“ Sie küsste ihn zärtlich. „Ich eingeschlossen.“
    „Da könnte man direkt eifersüchtig werden“, lachte Nick. „Wie und wann hat er Guido Bär kennengelernt?“
    „Keine Ahnung, das musst du ihn selber fragen, ich war zu lange weg von Aarau. Ich hörte erst wieder von Pavel, als er und Guido Bär als eines der ersten homosexuellen Paare im Aargau heirateten oder wie man das nennt. Das muss vor drei oder vier Jahren gewesen sein, ich erinnere mich noch an die Zeitungsberichte und die üblen Leserbriefe. Jedenfalls machten sie damals einen sehr glücklichen Eindruck.“
    „Ich weiss noch nicht, was ich von ihm halten soll.“ Nick nahm einen Schluck Kaffee und ging zurück ins Schlafzimmer, um sich fertig anzuziehen. Vor dem Spiegel zog er den Bauch ein, was aber nicht viel daran änderte, dass sein Abdomen eher als konvex zu bezeichnen war. „Jedenfalls hat er mehr Muskeln als ich, und er schlägt drein, wenn es sein muss.“
    „Was, immer noch? Ich dachte, das hätte sich vielleicht ergeben mit dem Erwachsenwerden. Na ja, wer Kühe auf die Welt bringt, braucht Kraft.“ Marina gähnte genüsslich und liess sich aufs Bett sinken. „Ich werde jetzt noch ein Stündchen schlafen, auch ohne dich. Rufst du mich an?“
    „Sicher, cara mia. Geniess den freien Samstag.“ Er beugte sich über sie und küsste sie auf Stirn, Nasenspitze, Lippen, rechte Brust, linke Brust, Bauchnabel – dann hörte er auf. „Bis später.“

    „Angela, sag mir was los war gestern Nacht. Du hast mich richtiggehend abgeschoben, um es mal höflich auszudrücken.“ Steff Schwager klang ziemlich verkatert und ungehalten.
    Angela hatte seine Anrufe in der Nacht weggedrückt, aber jetzt, im Büro, war sie vorbereitet. Trotzdem sprach sie leise und vermied es, seinen Namen zu nennen. „Es tut mir echt Leid. Du weisst, dass ich dich nicht mitnehmen kann zu Einsätzen, und abgesehen davon hattest du ziemlich viel getrunken. Hast du gut geschlafen?“
    „Brauchst gar nicht so mütterlich zu tun, nur weil du wenig oder gar nichts trinkst. Ich will wissen, ob es etwas gibt, wofür ich Platz brauche in der Zeitung morgen.“
    „Gehst du eigentlich nur mit mir aus, um mich auszuhorchen?“ Genau das hatte sie nicht sagen wollen, es klang nach Gejammer und emotionaler Erpressung.
    „Ja klar, weswegen sonst?“ Jetzt lachte Steff, aber mit einem Unterton. „Eine Hand wäscht die andere, nicht wahr?“ Dieser halb ironische, halb ernste Gesprächston zwischen ihnen war typisch; Angela fragte sich manchmal, ob sie damit Distanz zeigen wollten. Der Journalist gefiel ihr sehr, und sie ihm wohl auch, aber beide waren vorsichtig und legten vorläufig ihre Rüstung nicht ab.
    Er schien über die Telefonleitung zu hören, was sie dachte. „Nein, ernsthaft, ich war gestern wirklich frustriert, als die wunderschöne Frau an meiner Seite plötzlich zu einem Einsatz fuhr, statt die Nacht mit mir zu verbringen. Dass Mord und Totschlag für die Kripo wichtiger sind als das Privatleben der Mitarbeiter ist mir schon klar, aber dann möchte ich wenigstens wissen, worum es geht. Ich bin Reporter, ich recherchiere, ich schnüffle – das ist mein Beruf. Das verstehst du doch?“
    „Ja, natürlich. Umgekehrt erlaubt es mir mein Beruf nicht, dich mit Informationen zu versorgen, zumindest nicht gerade jetzt. Sobald Nick und die ganze Crew da sind und ich weiss, wie wir weiter vorgehen, rufe ich dich an.“
    „Einen Namen, nur einen Namen will ich, bitte bitte bitte.“
    „Keine Namen, Steff, noch nicht.“
    „Okay, okay“, maulte er, „aber ich brauche Fleisch am Knochen, nicht nur den Termin der Pressekonferenz, meine Süsse, das kannst du deinem Chef ruhig sagen. Wir wollen doch die gute Zusammenarbeit zwischen der Kantonspolizei und der lokalen Presse nicht in Frage stellen. Ciao, bis später.“
    Geschafft, dachte Angela, nichts preisgegeben, aber es wird immer schwieriger.
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