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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich
Autoren: Urban Waite
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raufzuschicken? Ein Riesenjob wie dieser hier, und irgend so ein Bengel, der keine blasse Ahnung vom Geschäft hatte. Allein schon das Reiten konnte für einen solchen Jungen der Tod sein; ein einziger Fehler, und er würde abschmieren und kopfüber von der nächsten Klippe fliegen.
    Die Pferde gehörten Hunt, zwei Rotschimmel, die er auf seinem Grundstück gezogen hatte. Hunt fütterte sie und trainierte sie. Kastanienbraun mit weißen Stichelhaaren, die Muskeln so schön und klar gezeichnet wie aus Stein gemeißelt, zogen sie ihre Bahn; Erdklumpen flogen unter dem Stampfen der Hufe auf. Seine Frau Nora und er wechselten sich jeden Morgen ab, brachten Heu auf die Weide, standen am Zaun, die Arme aufgestützt, und sahen dem spielerischen Gepruste und Gewieher der Pferde zu. Er wusste nicht, wo sie jetzt wären, seine Frau und er, wenn sie die Tiere nicht gehabt hätten. Es war ihm verhasst, dass er sie für das hier brauchte, dass er sie einen Hügel hinauf- und den nächsten wieder hinunterzerren musste, gelenkt von den unerfahrenen Händen dieses Jungen.
    Hunt warf dem jungen Mann einen argwöhnischen Blick zu; halb rechnete er damit, dass er verkehrt herum im Sattel saß. Es wurde kalt, und dieser Bengel war nur mit Jeans, Turnschuhen und einer schwarzen Windjacke bekleidet, die im Wind flatterte und flappte, als sie über die Wölbung eines Grates kamen und entlang einer Felslinie ins nächste Tal hinunterstiegen. Hunt war warm angezogen; er trug Lederhandschuhe, Jeans und eine dicke Jagdjacke, um die Kälte abzuhalten. Die Jacke war wattiert und grün gefleckt, um sich nicht gegen den Wald abzuheben. Auf dem Kopf trug er den Cowboyhut, den er für Jobs wie diesen immer hinten in seinem Truck liegen hatte. Damit kam er sich irgendwie offiziell vor, und es machte ihm Freude, vor seiner Frau den Hut zu ziehen und zu sehen, wie sich das Lächeln auf ihrem Gesicht breitmachte. Dem Jungen hatte er eine seiner Baseballkappen gegeben, eine von den Mariners, die man verstellen konnte, und es damit gut sein lassen.
    »Machen Sie das schon lange?«, wollte der Junge wissen und lehnte sich im Sattel zurück, als sie über den Grat kamen. Er gab sich alle Mühe, nicht vornüber über den Kopf des Pferdes zu purzeln.
    »Ist das Einzige, was ich machen kann, das irgendwie Geld bringt.«
    »Wieso denn das?«
    »Da draußen gibt’s nicht viel Arbeit für einen Mann mit meiner Vergangenheit.«
    »Dann haben wir wohl früher dasselbe gemacht«, meinte der Junge, und ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.
    ***
    Deputy Bobby Drake hakte den Daumen unter den Riemen des Gewehrs und zog die Waffe nach vorn. Er hatte auch einen Dienstfeldstecher, doch das Zielfernrohr der Flinte war stärker. Für die Jagd war er mit einer 270er ausgerüstet und hatte gute Bergstiefel an, fest genug für Steigeisen im Winter und leicht genug, um sie auch im Sommer zu tragen. Auf dem Rücken trug er seinen Rucksack, und seine Lunge arbeitete bei jedem Schritt. Drake war jung, gerade mal dreißig. Das Herz auf Ausdauer trainiert, für die langen Streifzüge in den Bergen. Die Haut dunkel von einem Sommer voller Wandern und Schwimmen.
    Am nächsten Tag, seinem freien Tag, war er zu dem Auto zurückgekehrt, ganz früh. Hatte abermals die Nummernschilder studiert. Nichts. Er stand dort draußen neben dem Wagen; die gewaltige blaue Wasserfläche des Silver Lake erstreckte sich vor ihm, und der Staub vom Straßenrand trieb mit dem Wind herbei und rollte über den Straßenbelag. Geistesabwesend klopfte er gegen das Fenster, vielleicht einfach nur, um sicherzugehen, dass das Auto tatsächlich existierte, dass es keine Fata Morgana war. Er stand da und spähte in den Wagen. Nichts hatte sich verändert. Das Ganze machte ihn unruhig.
    Während er dahinschritt und Bärengras und die niedrigen Gebirgsblaubeerbüsche vor sich teilte, wandten sich seine Gedanken seiner Frau zu, die er heute Morgen zu Hause zurückgelassen hatte. Sheri am Frühstückstisch, eine Schale Cheerios, die Milch verfärbte sich gelblich, der Geruch süß und eklig in der Luft. Sie hatte wissen wollen, was er da machte, wieso das wichtig sei. Er wusste, was sie erwidern würde, wenn er es ihr sagte. Sie waren erst kurze Zeit verheiratet, und die Vorstellung, dass sie jeden Morgen da war und sein Leben genau überprüfte, hatte sich noch nicht richtig festgesetzt. Er konnte ihr nicht erklären, wieso er sein Auto vollgepackt und sich das Zelt, seine Flinte und genug Kleidung und Verpflegung
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