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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt
Autoren: Aldous Huxley
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den Kölnischwasserhahn in seinem Badezimmer zu schließen.
    »- die mit Strom aus dem Grand-Canon-Kraftwerk gespeist werden.«
    »Kostet mich ein Vermögen, bis ich wieder heimkomme!« Vor seinem geistigen Auge sah Sigmund den Zeiger des Duftmessers im Kreise kriechen gleich einer unermüdlichen Ameise. »Nur so bald wie möglich Helmholtz anrufen!«
    »- mehr als fünftausend Kilometer Zaun, mit sechzigtausend Volt geladen.«
    »Was Sie nicht sagen!« bemerkte Lenina höflich, die keine Ahnung hatte, was der Kustos da redete, aber seine dramatische Pause als Stichwort auffaßte. Als der Kustos zu schmettern begann, hatte sie unauffällig ein halbes Gramm Soma geschluckt, infolgedessen sie jetzt seelenruhig dasaß, nicht zuhörte und an nichts dachte, während ihre großen blauen Augen in hingerissener Aufmerksamkeit auf das Gesicht des Kustos gerichtet waren.
    »Jede Berührung des Maschendrahts bedeutet sofortigen Tod«, verkündete der Kustos feierlich. »Aus einer Reservation gibt es kein Entrinnen.«
    Das Wort Entrinnen war verführerisch. Sigmund erhob sich: »Wir möchten Sie jetzt nicht länger aufhalten.« Der kleine schwarze Zeiger hastete weiter, knabberte sich wie ein Insekt durch die Zeit, fraß sich in sein Geld.
    »Kein Entrinnen«, wiederholte der Kustos und gab Sigmund mit einer Handbewegung zu verstehen, daß er sich wieder setzen sollte. Was blieb ihm anderes übrig, als zu gehorchen, da der Erlaubnisschein noch nicht abgezeichnet war! »Wer in der Reservation geboren wird - und vergessen Sie nicht, meine liebe junge Dame«, setzte er, mit einem schmutzigen Grinsen zu Lenina gewandt, ungehörig flüsternd hinzu, »vergessen Sie nicht, daß in der Reservation die Kinder in der Tat noch geboren werden, so widerlich das auc h scheinen mag...« Er hatte gehofft, mit dieser Anspielung auf Dinge, über die man nicht sprach, Lenina in Verlegenheit zu bringen, allein sie lächelte nur voll geheucheltem Verständnis und antwortete: »Was Sie nicht sagen!« Enttäuscht fuhr der Kustos fort.
    »Wer in der Reservation geboren wird, wiederhole ich, muß da auch verenden.«
    Muß verenden... Ein Zehntelliter Kölnischwasser in der Minute. Sechs Liter in der Stunde. Sigmund machte noch einen Versuch. »Wir möchten Sie jetzt-«
    »Sie möchten mich jetzt fragen«, ergänzte der Kustos, neigte sich vor und tippte mit dem Zeigefinger auf den Tisch, »wie viele Menschen in der Reservation leben. Und ich sage Ihnen« - triumphierend - »daß wir es nicht wissen. Wir können nur annähernd schätzen.«
    »Was Sie nicht sagen!«
    »Meine liebe junge Dame, es ist, wie ich Ihnen sage.«
    Sechsmal vierundzwanzig - nein, viel eher sechsmal sechsunddreißig. Sigmund war bleich und bebte vor Ungeduld. Aber unerbittlich schmetterte es weiter.
    »- etwa sechzigtausend Indianer und Mischlinge - vollkommen Wilde - von unseren Aufsehern gelegentlich besucht - sonst keinerlei Verbindung mit der zivilisierten Außenwelt - halten an ihren widerlichen Sitten und Gebräuchen fest - heiraten, wenn Sie wissen, was das ist, meine liebe junge Dame. Familien - keine Normung haarsträubender Aberglaube - Christentum und Totemismus und Ahnenverehrung - ausgestorbene Sprachen wie Zuni, Spanisch und Athapaskisch - Pumas, Stachelschweine und anderes wildes Getier - ansteckende Krankheiten - Priester - giftige Echsen -«
    »Was Sie nicht sagen!«
    Endlich kamen sie los. Sigmund stürzte ans Telefon.
    Schnell! Schnell!
    Trotzdem dauerte es fast drei Minuten, bis er mit Helmholtz Holmes-Watson verbunden wurde. »Als befänden wir uns bereits bei den Wilden. Verfluchte Schlamperei!« schimpfte er.
    »Nimm ein Gramm!« riet Lenina.
    Er lehnte ab, sein Ärger war ihm lieber. Endlich, Ford sei Dank! kam die Verbindung zustande, Helmholtz meldete sich. Sigmund erklärte ihm, was geschehen war, und Helmholtz versprach, sofort hinzugehen und den Hahn zu schließen, ja, sofort. Aber bei dieser Gelegenheit erzählte er Sigmund auch, was der BUND gestern abend in aller Öffentlichkeit gesagt hatte...
    »Wie? Er sucht einen Nachfolger für mich?« Sigmunds Stimme klang tödlich betroffen. »Also ist es wirklich entschieden? Sprach er von Island? Ja, sagst du? Allmächtiger Ford! Island...« Er hängte den Hörer ein und kehrte sich wieder Lenina zu, bleich und völlig niedergeschmettert.
    »Was ist los?« fragte sie.
    »Was los ist?« Er sank auf einen Stuhl. »Ich werde nach Island verschickt.«
    In früheren Zeiten hatte er oft gegrübelt, wie das sein
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