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Schlimmes Ende

Titel: Schlimmes Ende
Autoren: Philip Ardagh
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Loaf führte das Pferd aus dem Haupteingang des Ausspanns »Zum Ausspann« und spannte es vor die Kutsche.
    »Danke, guter Mann«, schrie der Wahnsinnige Onkel Jack, griff in seine Jackentasche und zog einen getrockneten Aal hervor, welchen er dem dankbaren Wirt zuwarf.
    »Nein, ich danke Ihnen , Sir«, sagte Mr Loaf und zwinkerte Eddie Dickens zu, der sich aus dem Kutschenfenster lehnte und die Vorgänge beobachtete.
    Eddie stellte sich vor, wie Mr Loaf den Aal zusammen mit den anderen Trockenfischen, die sein Großonkel für Kost und Logis in Zahlung gegeben hatte, zu einem Paket schnürte und an seinen Vater verschickte.
    »Lebe wohl, junger Herr Edmund!«, strahlte der Wirt. »Bleib mir gesund!«
    »Bleib mir vom Halse!«, fügte Mrs Loaf zuckersüß hinzu.
    Mit einem Schnalzen der Zügel und einem lauten Gewieher - welches von Eddies Großonkel ausging, nicht vom Pferd, das noch viel zu müde war, um so früh am Morgen bereits Konversation zu pflegen - fuhren sie los.
    Mr und Mrs Loaf rannten neben der Kutsche her und winkten und riefen Eddie zu:
    »Schreib uns ein paar Zeilen, junger Herr Edmund«, rief der Wirt, »falls du die Zeit hast.«
    »Fall tot um!«, rief die Wirtin.
    »Schau bald mal wieder vorbei«, schrie der Wirt.
    »Schau bloß, dass du weiterkommst«, schrie die Wirtin.

    »Und wenn du wieder hier in der Gegend bist...«, begann der Wirt.
    »…dann zieh weiter, ohne anzuhalten«, beendete die Wirtin den Satz.
    Und so folgte Kommentar auf Kommentar, bis die Kutsche immer schneller wurde und die Wirtsleute nicht mehr mitkamen.
    Eddie musste zugeben, dass Mrs Loaf den Bogen raushatte, wenn es galt, jemandem zu zeigen, dass er nicht willkommen war. Nie wieder wollte er im Ausspann »Zum Ausspann« absteigen.
    »Wie spät ist es?«, erkundigte sich die Wahnsinnige Tante Maud. Sie sah Eddie mitten ins Gesicht, als sie die Frage stellte, also entschied er, dass sie ihn gefragt hatte und nicht das ausgestopfte Wiesel.
    »Ich habe leider keine Uhr«, sagte Eddie.
    »Dann leihe ich dir meine.« Seine Großtante wühlte in einem kleinen Sack aus Flicken, der neben ihr stand. Sie zog eine silberne Taschenuhr an einer Kette heraus und überreichte sie ihm. »Also, wie spät ist es?«
    Er las den Zeigerstand ab. »Es ist drei Minuten nach acht Uhr«, sagte er und gab ihr die Uhr zurück.
    Sie studierte das Chronometer in ihren knotigen Händen. »Das kann ich aber doch nicht annehmen«, sagte sie. »Die ist ja massiv Silber.« Sie hielt die Uhr an ihr rechtes Ohr und lauschte. »Und sie hat ein sehr kostspieliges Ticken. Nein, so ein wertvolles Geschenk kann ich nicht annehmen. Du bist ja noch ein Kind.«
    »Sie ist aber doch deine«, versuchte Eddie darzulegen.
    »Nein, ich kann sie nicht annehmen«, beharrte die Wahnsinnige Tante Maud streng. »Jetzt will ich nichts mehr davon
hören. Was würde deine arme, an den Rändern so wellige Mutter dazu sagen, dass du versuchst, deine Uhr zu verschenken, die dir so viel bedeutet?«
    Eddie seufzte, entschied aber, dass es besser war, nicht mit seiner Großtante zu streiten. Er steckte sich die Uhr in die Tasche.
    »Dieb!«, schrie Maud. »Dieb!« Sie ergriff Malcolm-dasausgestopfte-Wiesel beim Schwanz und schwang ihn wie eine Keule. Er war so steif wie ein Polizeiknüppel und stellte eine Furcht erregende Waffe dar. »Gib mir auf der Stelle mein Eigentum zurück!«, forderte sie.
    Eddie hatte schwer zu schlucken. Er grub tief mit der Hand in seine Tasche und gab ihr ihre Uhr zurück.
    Großtante Maud grinste von einem Ohr zum andern. »Was für ein entzückendes Geschenk«, sagte sie. »Wie aufmerksam. Wie nett.«
    Vorsichtig stellte sie Malcolm neben sich auf den Sitz, beugte sich nach links, öffnete das Kutschenfenster und warf dann die silberne Taschenuhr hinaus. »Unnützer Firlefanz«, maulte sie.
    Ein Aufschrei ertönte, danach herrschte etwas Verwirrung und dann blieb die Kutsche schwankend stehen. Eddie haute es von seinem Sitz und er landete - zu seinem Entsetzen - kopfüber im Schoß seiner Großtante.
    Er entschuldigte sich, rappelte sich auf und wurde durch das offene Kutschenfenster eines bärtigen Fremden ansichtig.
    Der bärtige Fremde rieb sich mit einer Hand den Kopf und hielt in der anderen die Uhr der Wahnsinnigen Tante Maud.
    Der Wahnsinnige Onkel Jack sprang von der nunmehr dem ruhenden Verkehr zuzuordnenden Kutsche und schritt auf den Mann zu.

    »Warum haben Sie so aufgeschrien?«, wollte Onkel Jack wissen. »Sie haben mein Pferd
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