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Schatten Des Dschungels

Schatten Des Dschungels

Titel: Schatten Des Dschungels
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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die Stelle durch, an der mich der Taser berührt hat. »Ja. Aber ich hätte nicht gedacht, dass das so wehtut.«
    »Früher waren Taser in Deutschland verboten.« Falk steht auf, aber er geht noch nicht zu seinem Rad. Er streckt sich nur und lässt kurz den Blick schweifen. »Dein Freund ist schon weg?«
    »Was für ein Freund?«, frage ich verdutzt.
    »Der Dunkelhaarige.«
    Ich muss lachen, so erleichtert bin ich. »Der ist nicht mein Freund. Nur ein Bekannter. Wir haben uns neulich auf einer Party kennengelernt und er wollte mal zu einem Treffen kommen.«
    Falk nickt und lässt sich nicht anmerken, was er denkt. »Bist du nächstes Mal wieder da? Beim Treffen?«, fragt er.
    »Ja«, antworte ich sofort.
    »Gut«, sagt er und schwingt sich auf sein Rad. »Also bis dann.«
    Gut. Das Wort geht mir durch und durch. Er findet es gut, dass ich da sein werde.
    Es fällt mir schwer, bis zum nächsten Mittwoch zu warten. Aber dann ist es endlich so weit und diesmal ist alles anders. Andy ist nicht da. Falk sitzt mir gegenüber, und immer wieder treffen sich unsere Blicke, ganz kurz nur. Und nach jedem dieser Momente fühle ich mich ein wenig lebendiger.
    Später, als wir uns auf den Heimweg machen, versucht Lena-Marie wieder, sich mit Falk zu unterhalten, doch er antwortet so kurz angebunden, dass sie es schließlich aufgibt. Falk und ich trödeln herum, bis alle anderen weg sind, dann schieben wir schweigend unsere Räder über den Gehsteig.
    »Wohin fährst du jetzt?«, frage ich ihn.
    »Nach Hause. Ich wohne an der Isar, ist echt schön da.« Beiläufig fügt er hinzu: »Wir könnten da noch was trinken.«
    »Jetzt?« Überrumpelt schaue ich auf die Uhr, obwohl ich weiß, wie spät es ist. Das geht jetzt doch alles schneller, als ich erwartet habe. Fast ein bisschen zu schnell. Aber habe ich mir nicht eben gewünscht, dass er so etwas sagen würde? Also antworte ich genauso beiläufig: »Klar, warum nicht.«
    Er schwingt sich auf sein Mountainbike, das wahrscheinlich noch aus dem letzten Jahrhundert stammt und weder Tacho noch Navi hat. Weil ich mich besser auskenne, übernehme ich wieder die Führung; wir rasen quer durch Sendling und fahren an der Brudermühlbrücke zur Isar runter. Jetzt scheint Falk zu wissen, wo er ist, er zieht an mir vorbei und fährt voraus.
    Ich mag diese ganze Gegend total, die Isar schlängelt sich wie ein Wildfluss durch die Stadt, grün wie Glas ist ihr Wasser. Auf ihren breiten Kiesbänken und endlosen Uferwiesen habe ich schon als Kind gespielt. Das hätte ich diesem Andy sagen sollen, dass es gerade in München sehr viel mehr Natur gibt als ein paar Hundeklo-Bäume!
    Während wir weiter in Richtung Süden die Isar entlangfahren, am Tierpark Hellabrunn vorbei, beginne ich langsam, mich zu wundern. Wo genau wohnt Falk hier eigentlich, und wie hat er es geschafft, in dieser Gegend eine bezahlbare Wohnung zu finden? Vielleicht hat er ein winziges Zimmer in irgendeiner WG.
    Zehn Minuten später sind wir praktisch aus der Stadt raus, ganz selten begegnet uns mal ein anderer Radler oder ein Jogger, und noch immer fahren wir am Fluss entlang, die Bäume strecken ihre Äste nach uns aus. Jetzt wird mir doch ein ganz klein wenig mulmig zumute. Bin ich eigentlich bescheuert, dass ich mit einem fast völlig Fremden in den Wald fahre? Ich mag nicht fragen: ›Sind wir bald da?‹, das klingt nach Kleinkindergequengel, aber irgendwann werde ich anhalten und umkehren. Jetzt? Nein, noch nicht jetzt, noch nicht …
    Als hätte Falk meine Gedanken gespürt, bremst er plötzlich, steigt ab und lehnt sein Rad gegen einen Baum. Sein Gesicht leuchtet, als er über die glitzernde Fläche der Isar und den breiten Kieselstrand des Ufers blickt. »Wir sind da. Gefällt’s dir?«
    »Äh, ja«, sage ich und steige langsam ab. Weit und breit kein Gebäude in Sicht, wenn man die Großhesseloher Brücke und das kleine Wasserkraftwerk nicht mitrechnet, die man von hier aus gerade noch erkennen kann. Ein blaues Warnschild verkündet WEHR – Lebensgefahr 500 m.
    »Was magst du trinken, Cat?« Falk stört sich überhaupt nicht an meinem verwirrten Blick. »Limo, Saft oder Wasser?«
    Klingt, als habe er hier ein kleines, aber feines Restaurant. Ich fühle mich wie im falschen Film, aber ich sage einfach nur: »Saft«, und warte ab, was passiert. Falk stapft in den Wald davon, und meine Neugier siegt, ich gehe ihm hinterher. An dieser Stelle ist der Buchenwald zwischen dem Fluss und der steilen Flanke des Hochufers ziemlich
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