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Saukalt

Saukalt

Titel: Saukalt
Autoren: Oskar Feifar
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jemanden mit dem Gendarmerieauto heim zu
bringen. Am nächsten Tag bat ihn der Herr Pfarrer dann zu sich und bedankte
sich peinlich berührt aber herzlich für seine Hilfe. Bei dieser Gelegenheit
kamen sie ins Gespräch und klagten sich gegenseitig ihr Leid. Beim Zuhören kam
der Strobel zu der Erkenntnis, dass der Herr Pfarrer gar kein so
unsympathischer Bursche war. Ein Mensch mit ganz normalen Sorgen und Nöten war
er, der Römer. Hochwürden selber fand den Postenkommandanten auch nett. Und
weil sie sich halt so nett und sympathisch fanden und das miteinander Reden so
gut tat, setzten sie sich von da an öfter einmal zusammen und tauschten sich
aus. Was dem Strobel daran ganz besonders gefiel, war, dass der Herr Pfarrer
gar nicht so weltfremd war, wie er gedacht hatte. Im Gegenteil. Der Mann
versprühte eine ganze Menge an Weisheiten und hatte so manchen guten Rat zur
Hand. So ist es halt gekommen, dass bald der Mittwochabend zum ganz privaten
Herrenabend im Pfarrhaus wurde, und sich der Pfarrer Römer zu so etwas wie
einem väterlichen Freund für den Strobel entwickelte. Ob diese Zusammenkünfte
auch gut für die Leber waren, weiß ich nicht. Weil gesoffen haben die zwei bei
diesen Gelegenheiten ganz ordentlich. Du musst nämlich wissen, dass der Herr
Pfarrer ein Lebemann war. Mit einer Flasche Wein kamen die beiden an so einem
Abend jedenfalls nicht aus. Aber nicht, dass du jetzt glaubst, der Strobel und
der Römer haben sich am Messwein vergriffen. Überhaupt nicht. Das hätte der
Pfarrer auch gar nicht gewollt. Er meinte vielmehr, dass es ihm völlig genüge,
wenn er das verwässerte Zeug bei seiner Arbeit trinken müsse. In seiner
Freizeit, so betonte er, wollte er schon was Gescheites trinken. Und einen
guten Geschmack hatte Hochwürden. Gar keine Frage. Rotweine vom Feinsten
kredenzte er dem Strobel jedes Mal. Wie zwei alte englische Aristokraten
wirkten sie, wenn sie rauchend und trinkend im Wohnzimmer vom Pfarrhaus in den
Ohrensesseln hockten und über den Sinn des Lebens diskutierten. Was der Strobel
bei diesen Gelegenheiten noch entdeckte, war die Liebe zur klassischen Musik.
Damit hatte er sich vorher nie beschäftigt. Er war mehr so der Rockertyp. Aber
der Herr Pfarrer hörte sich nur so eine Musik an, oder ließ sie leise im
Hintergrund laufen. In den Gesprächspausen lauschte der Strobel aufmerksam
diesen für ihn völlig ungewohnten Klängen. Schon nach dem dritten Herrenabend
zog er los und kaufte sich seine erste Platte mit klassischer Musik. Soweit ich
mich erinnern kann, waren es die Brandenburgischen Konzerte. Aber das tut ja
nichts zur Sache. Auf jeden Fall lernte der Strobel durch den Herrn Pfarrer
eine ganz andere Lebensart kennen. Und die war alles andere als schlecht. Sie
redeten meistens, im wahrsten Sinne des Wortes, über Gott und die Welt.
Topthema war aber die Kirche an sich. Da gab es aus Sicht vom Strobel so
einiges, das er immer schon einmal einem Vertreter dieser Organisation hatte
sagen wollen. Vieles davon war nicht gerade nett. Aber siehst du, auch dabei
lernte er noch was. Nämlich, dass nicht alle Priester aus dem gleichen Holz
geschnitzt sind. Weil der Pfarrer Römer machte sich meistens gar nicht erst die
Mühe, die Institution Kirche zu verteidigen. Er hörte sich alles, was der
Strobel zu sagen hatte, in Ruhe an und gab erst danach seinen Senf dazu.
Meistens unterstützte er den Strobel in seiner Meinung. Sogar dann, wenn die
Kirche dabei ausgesprochen schlecht wegkam. Aber nicht nur das. Auch für den
Pfarrer selbst gab es Dinge, die er sehr stark anzweifelte. Wie zum Beispiel
den Zölibat. Das war ein Thema, wo du dem Römer ansehen konntest, dass es ihn
aggressiv machte. Offen bekannte er sich dazu, dass er dieses
Ehelosigkeitsversprechen und das damit verbundene Keuschheitsgelübde für
absoluten Stumpfsinn hielt und nicht verstand, was das mit seiner Liebe zu Gott
und der Erfüllung seiner Pflichten zu tun haben sollte. Außerdem, so gab er
ohne Umschweife zu, hielt sich, ihn selber eingeschlossen, sowieso fast niemand
an diese blödsinnige Vorschrift. Nicht im Laufe der Geschichte, nicht in der
Gegenwart und nicht in der Zukunft, behauptete er. Und er musste es ja
schließlich wissen. Letztlich, so führte er weiter aus, sei dies seinerzeit
eine Erfindung gewesen, die nur den Zweck gehabt habe zu verhindern, dass
Kirchenbesitz an die Nachkommen des Klerus vererbt werden müsse. Der Strobel
hatte allerdings keine Ahnung, ob das eine haltbare Theorie war. Der
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