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Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Autoren: Ju Honisch
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noch nicht ganz ausgeheilte Rippe.
    Leutnant von Görenczy schrie auf.

Kapitel 3
    Die Damen standen reglos, fürchteten sich alle drei vor dem, was hinter ihnen lauern mochte. Cérise wandte sich als erste um. Die anderen folgten ihrem Beispiel, ebenso getrieben und zurückgehalten von der Angst vor dem, was sie erwartete.
    Ihnen gegenüber standen drei Frauen, eine alt, eine mittleren Alters, eine jung.
    Das beschrieb sie nur bruchstückhaft. Die Alte war das Alter selbst, faltig, vertrocknet und verknöchert. Wie ein Schleier floß ihr schlohweißes Haar vom Haupt bis hinunter zum Boden. Ihre knorrigen Hände endeten in langen, gelblichen Nägeln. Ihre Augen waren so hellgrau, daß sie an Schneeflocken erinnerten, gleichsam ewigen Winter verhießen. Ihr Mund war schmal wie eine Klinge. Kalt sah sie aus, gnadenlos, ehrfurchtgebietend, und doch strahlte sie auch Weisheit aus, ließ den Betrachter seine eigene Unzulänglichkeit fühlen. Eine Aura von Macht umgab sie, doch es war keine männliche, keine physische oder brutale Macht. Es war die Abwesenheit von Schwäche.
    Eine entsprechende Aura umstrahlte auch die Frau mittleren Alters. Ihr braunes Haar trug sie zur Krone geflochten und mit Ähren verziert. Ihr Gesicht war das einer Mutter, die in immerwährender stiller Sorge um ihre Kinder ist, sie das aber nie wissen läßt. Auf ihren Zügen lag ein Lächeln, in dem man sich geborgen fühlen konnte, dem man seine Seele anvertrauen würde in der Sicherheit, sie erfrischt – und möglicherweise gewaschen und gebügelt – zurückzuerhalten. Auch ihre Augen waren fahl, doch kein Schnee glitzerte darin. Sie sahen eher aus wie der bedeckte Himmel nach einem feinen Sommerregen.
    Die Dritte war blutjung, die Jugend selbst. In einem nicht spürbaren Wind flog ihr langes blondes Haar. Ein Kranz von Frühlingsblumen saß darauf. Ihre Augen funkelten silbrig blau, ihre Gestalt war zart und zierlich, zeigte nur die ersten Anzeichen von Fraulichkeit. Girlanden aus Frühlingsgrün schmückten sie wie prächtige Juwelen. Sie war unschuldig, voller Leben und Liebe, die noch darauf warteten, entdeckt zu werden.
    Alle drei standen in Gewändern aus wallendem Nebel da. Sie blickten prüfend Sophie, Corrisande und Cérise an, als kosteten sie von deren Sein. Die drei Menschenfrauen starrten zurück, sprachlos, reglos und ängstlich.
    Sophie war die erste, die reagierte. Sie sank auf ein Knie nieder und neigte das Haupt.
    „Hohe Frauen“, sagte sie, „wir sind geehrt.“
    Corrisande folgte ihrer Bewegung, und nur Cérise blieb stehen, das Kinn stolz und stur gereckt.
    „ Mon Dieu “, flüsterte sie, fiel zurück in ihre Sprache wie so oft, wenn sie sich aufregte.
    „Nicht – ganz – richtig“, entgegnete eine greisenhafte Stimme, brüchig vor Hohn und sprödem Spott.
    „Cérise, seien Sie höflich!“ flüsterte Corrisande. „Knien Sie nieder!“
    Die Sängerin wandte sich ihr zu. Ihr ausdrucksvoller Mund zuckte ungehalten.
    „Ich knie nicht vor jedem“, murmelte sie. „Wer …“ Sie hatte nicht den Mut, die Frage auszuformulieren. Die drei Wesen wandten sich in einer einzigen, synchronen Bewegung ihr zu, sahen ihr in die Augen, von dort in alle ihre Geheimnisse, von dort in ihren Sinn und schließlich weiter bis in die Seele. Die Göttin der Opernbühne stand atemlos vor Schock.
    „Erweisen Sie Ihren Respekt, Mademoiselle Denglot“, mahnte Sophie. „Beugen Sie Ihr Knie!“
    „Unnötig“, sagte die Alte. „Sie beugt gerade ihre Seele.“
    Eine Träne lief der Sängerin übers Gesicht. Sie erbebte in der Erkenntnis ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit. Sie war ein Nichts, eine flüchtige Blume, die in nichts als einem einzigen Windhauch verwelkte und starb. Schon sammelte sich die Fäulnis in ihrem Herzen. Sie war auf dem kurzen Weg von Staub zu Staub. Einen Atemzug noch, und es würde niemand mehr ihren Namen kennen, niemand sich ihrer Stimme erinnern, niemand von ihrer Anmut träumen. Sie unterdrückte ein Schluchzen. Sie bebte, doch sie stand unerschütterlich.
    Corrisande, die neben ihr kniete, griff nach ihrer Hand und hob sie an ihre Wange. Eisig.
    „Cérise“, sagte sie sanft. „Geben Sie nach. Was hoffen Sie zu gewinnen?“
    „Mademoiselle Denglot! Lassen Sie es sein!“ schalt Sophie. „Sie befinden sich in der Gegenwart überirdischen Wunders. Hier ist Respekt gefragt, nicht Ihr Konkurrenzdenken.“
    Die Stille war wie eine Symphonie. Schließlich sprach die Alte wieder.
    „Vielleicht“, sagte sie und
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