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Runterschalten!

Runterschalten!

Titel: Runterschalten!
Autoren: Wiebke Sponagel
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fehlt die Akzeptanz. Nur der ist anerkannt, der bis zum Herzinfarkt rödelt. Ich habe schon Begräbnisse von Managern zwischen 50 und 60 erlebt, aus großen Unternehmen, bei denen hunderte von Menschen dabeistehen, und man über die unmenschliche Arbeitswelt spricht. Aber man hätte das ja zum Anlass nehmen können, etwas zu ändern. Das passiert nicht.
    Ich will damit sagen, dass ich persönlich das Runterschalten wünschenswert finde, und die Unternehmen haben alle Instrumente an der Hand, das Runterschalten für diejenigen zu ermöglichen, die das möchten, ohne dass es prinzipiell eine Leistungseinbuße gibt. Das behaupte ich jetzt mal. Aber es wird eben nicht gemacht
Angenommen, bei Ihnen bewirbt sich jemand mit eindeutig höherer Qualifikation auf einen Durchschnittsjob. Er gibt als Begründung an, dass er „runterschalten“ will. Kann er diesen Job aus Ihrer Sicht bekommen oder gibt es Hinderungsgründe?
    Natürlich weckt das einen Grundverdacht. Man wird den Bewerber vielleicht fragen, ob er das wirklich ernst meint. Man unterstellt, dass die Person wegen zu geringer Auslastung irgendwann nicht mehr dabei ist. Das ist aber eine Unterstellung aus Ignoranz. Ansonsten würde das ein Arbeitgeber mitmachen, obwohl es gesellschaftlich eher nicht erwünscht ist.
Ist das Runterschalten aus Ihrer Sicht ein „Karriereknick“?
    Ja. Aber von einer Belegschaft ist ja sowieso nur ein Promillesatz überhaupt an Karriere interessiert. Für die gilt aber bestimmt, dass es ein Knick ist. Gesellschaftlich und innerbetrieblich ist das Runterschalten nicht erwünscht. Selbst leitende Angestellte könnten ja nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz Teilzeit machen, aber dazu kommt es nicht.
Sollte sich ein Bewerber dazu bekennen?
    Das ist hochriskant, weil man nicht weiß, wer einem gegenüber sitzt. Ich habe dann das Problem, das meine Einstellung nicht gesellschaftsfähig ist. Ich stelle mich mit dieser Thematik bloß. Deswegen würde ich sagen, nein, lieber nicht.
Glauben Sie, dass Unternehmen von Menschen, die runterschalten, auch profitieren können?
    Ja, das glaube ich, denn ich bin der wenig populären Ansicht, dass Betriebstreue und Loyalität Tugenden sind, die auch einen Leistungswert haben. Wenn ich also als Arbeitgeber meine Arbeitnehmer in ihren Wünschen mehr ausbalanciere, wird dernormale Arbeitnehmer, der das nicht ausnutzt, das auch honorieren. Mir fällt dazu noch die Thematik Pflegezeitgesetz ein. Also ein Gesetz, das davon ausgeht, dass in den nächsten Jahren der Betreuungsaufwand für den ältesten Teil unserer Bevölkerung zunehmen wird. Da bin ich sofort wieder beim Thema „Runterschalten“. Wenn mir der Arbeitgeber nun ermöglicht, Auszeiten für diesen Zweck zu nehmen, und ich kann am nächsten Tag beruhigt ins Büro oder in die Werkshalle kommen, weil ich weiß, mein Arbeitsplatz ist noch da, dann ist das letztlich leistungssteigernd.
    Der andere Punkt sind die Frustration und Demotivation, die Fehlzeiten aufgrund von echter oder simulierter Krankheiten inklusive psychischer Probleme. Das ist alles andere als ideal und leistungsfördernd, wird aber in Kauf genommen.
Laut Weltgesundheitsorganisation ist Stress die Gesundheitsgefährdung Nr. 1 weltweit und auch ein enormer Kostenfaktor. Wird aus Ihrer Sicht in Unternehmen genug gegen Stress getan?
    Nach meiner Erfahrung ist das nicht im Blickwinkel der Unternehmen, sondern nur der Krankenkassen. Da gibt es Präventivprogramme unterschiedlichster Art, im Bereich Ernährung, Ergonomie, und es gibt auch immer mal ein Angebot zum Thema Stress und Zeitmanagement und so weiter. Aber es kommt kaum vor, dass das Unternehmen der Impulsgeber ist.
Ist die Politik, immer mehr Arbeit auf immer weniger Schultern zu verteilen, in dieser Hinsicht hilfreich?
    Nein.
In den letzten Jahren wurden durch Vereinheitlichung der Studienabschlüsse und internationalisierte Ansprüche in Firmen bestimmte modulartige Karriereverläufe gefördert und Normkarrieren nachgefragt. Neuerdings macht das Schlagwort „Diversity Management“ die Runde – ist das aus Ihrer Sicht eine Gegenbewegung?
    Das könnte natürlich ein Einfallstor werden, aber im Moment sehe ich das sehr stark unter der Überschrift, es ist schick, es ist Mode. Angelsächsische Unternehmen werben auf der Website oder ja gern mit Menschen unterschiedlichster Hautfarbe, aber in
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