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Rügensommer

Rügensommer

Titel: Rügensommer
Autoren: Aufbau
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wissensollen, dass Sie mit dem Roland gekommen sind?« Die großen Kulleraugen, pures Unverständnis in der Mimik – diese Inselbewohner waren ausgesprochen raffiniert. Deike würde sich in Zukunft mehr vor ihnen in Acht nehmen. Und sie würde ab sofort immer einen kleinen Spiegel in ihrer Tasche haben.
     
    Während der Rückfahrt blieb Deike im Abteil. In Putbus hatte sie sofort Anschluss nach Bergen, so dass sie recht früh zu Hause war. Da hatte der Tag ja doch noch etwas Gutes. Sie bog schwungvoll auf den Stellplatz ein, schnappte sich ihre Tasche vom Beifahrersitz und stieg aus. Hier am Bodden war der Wind schwächer als draußen am Strand. Dadurch war es wärmer. Sie würde duschen und sich anschließend ein wenig auf ihre kleine Terrasse setzen. Kaum hatte sie die beiden Stufen vor dem Eingang genommen, flog die Tür der benachbarten Haushälfte auf. Schlabberhose verstellte ihr den Weg. Der hatte ihr gerade noch gefehlt.
    »Sie stehen auf meinem Parkplatz.« Er sah sie streng an, schlug dann aber die Augen nieder.
    »Auf unserem Parkplatz, ich stehe auf unserem Parkplatz.« Irgendwo heulte eine Kreissäge. Deike war genervt. Da wohnte sie schon in einem Kaff und konnte trotzdem nicht ruhig und friedlich leben. »Zwei Haushälften, zwei Parkplatzhälften«, fuhr sie ihn an.
    »Stimmt. Und Ihre ist die rechte. Sie stehen aber links.«
    »Haben Sie hinter der Gardine gelauert, oder was?«
    »Nein, ich nicht, aber …« Er wirkte plötzlich irritiert.
    »Herrje, es ist doch nun wirklich egal, wer auf welcher Seite steht«, setzte Deike nach. »Die Hauptsache, jeder kann sein Auto vernünftig abstellen. Apropos, haben Sie überhaupt ein Auto? Ich sehe Sie immer nur mit einem Fahrrad.«
    »Mir steht der Platz zu, ob ich ein Auto habe oder nicht«, ereiferte er sich. »Und zwar der linke!«
    Unfassbar, wie verstockt dieser Kerl war! Deike schätzte ihn auf Mitte oder Ende dreißig, also nicht sehr viel älter als sie selbst war. Aber er benahm sich wie ein Achtzigjähriger. Nein, sie wollte älteren Herrschaften nicht Unrecht tun. Schlabberhose benahm sich schlimmer.
    »Haben Sie eine Rechts-Phobie, oder was ist mit Ihnen los?«
    »Wenn Sie sich beim Parkplatz nicht daran halten, benutzen Sie nachher auch noch meine Gartenhälfte. Es geht ums Prinzip.«
    Das hörte sie wahrlich nicht zum ersten Mal. Andauernd ging es ihm nur ums Prinzip. Wahrscheinlich fehlten ihm einfach bessere Argumente.
    »O ja, schließlich gibt es keinen Zaun. Da kann es schon passieren, dass ich mich auf Ihre Terrasse lege, weil die viel schöner ist als meine.« Ihre Stimme triefte vor Ironie. »Schlimmer noch: Wenn Sie mir das mit dem Parkplatz durchgehen lassen, dann nehme ich das mit der richtigen Haushälfte auch nicht mehr so genau. Links oder rechts, was spielt das schon für eine Rolle? Und schwupp, wohne ich doch glatt in Ihrer Hälfte.« Kopfschüttelnd ließ sie ihn stehen und schloss ihre Tür auf.
    »Deike?« Aha, ihm war endlich bewusst geworden, wie lächerlich er sich machte, und es war Zeit für eine Entschuldigung. Sie drehte sich zu ihm herum.
    »Würden Sie jetzt bitte Ihr Auto umparken?«
     
    Nach der Dusche fühlte Deike sich zwar besser, doch so recht wollte der Ärger über diesen Starrkopf nicht verfliegen. Immerhin musste sie neben ihm wohnen. Sie stellte sich einen Stuhl an den Zaun zum Duschel-Grundstück, wo es noch einwenig Sonne gab, und begann, über den Königsstuhl und den Kreideabbau zu lesen. Immer wieder erwischte sie sich dabei, dass sie zwar auf das Papier starrte, aber keine Zeile aufnahm. Ihre Gedanken wanderten ständig zurück zu Schlabberhose. Sollte sie ihn in aller Ruhe darauf ansprechen, dass sie mit seinem Dickschädel ein echtes Problem hatte? Oder war es klüger, sich einfach an seine Regeln zu halten? Es war schließlich wirklich gleichgültig, wo sie parkte. Und sehr häufig drehte sie ohnehin nicht die Musik laut auf. Andererseits: Was würde ihm noch alles einfallen? Wo würde das enden? Die Kreissäge kreischte wieder. Auch das noch! Deike gab auf und wollte den Stuhl gerade wieder in das Haus tragen.
    »Frollein!« Die Duschel kam eilig über den Rasen gestapft, im Arm einen großen Topf. »Hier, das müssen Sie probieren!« Schon hatte sie den Zaun erreicht und fischte einen Löffel aus der Tasche ihrer Schürze.
    »Das ist nett gemeint, aber ich wollte gerade …« Weiter kam Deike nicht.
    »Die jungen Frauen von heute können doch jar nit mehr kochen«, schrie die Duschel gegen die
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