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Rückkehr von den Sternen

Rückkehr von den Sternen

Titel: Rückkehr von den Sternen
Autoren: Stanislaw Lem
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verflixten Bahnhof, unter den freien Himmel, in einen freien Raum, wo man die Sterne sehen und den Wind fühlen konnte.
    Eine Allee langgezogener Lichter zog mich an; im durchsichtigen Stein der Decke schrieb wieder etwas – die Buchstaben zog eine scharfe, in Alabaster eingeschlossene Flamme TELETRANS TELEPORT TELETHON. Durch eine Bogentür – nur war es ein schier unmöglicher, aus den Fugen geratener Bogen, wie das Negativ eines Raketenschnabels – gelangte ich in einen Saal, der mit vereistem, goldenem Feuer bedeckt war. In den Wandnischen – Hunderte von Kabinen. Menschen liefen da hinein, eilten wieder hinaus, warfen zerrissene Streifen auf den Boden, nein, keine Telegrammstreifen, es war etwas anderes, mit ausgestanzten Knöpfchen, andere traten auf diese Fetzen. Ich wollte hinaus, trat irrtümlich in einen dunklen Raum, etwas surrte dort, dann leuchtete es wie eine Fotolampe auf, und aus einer mit Metall eingefaßten Ritze glitt ein zusammengelegter Bogen glitzernden Papiers. Ich nahm ihn, öffnete, und ein menschlicher Kopf mit nicht ganz geschlossenen, leicht verzerrten, dünnen Lippen sah mich mit blinzelnden Augen an: ich selbst war es! Ich legte das Papier wieder zusammen, und der Plastikspuk verschwand. Langsam öffnete ich die Bogenränder – nichts – etwas weiter – da kam er wieder, wie aus dem Nichts, ein Kopf, wie vom Rumpf abgeschnitten, mit einem nicht gerade intelligenten Ausdruck, über dem Papier schwebend. Einen Augenblick lang sah ich mein eigenes Gesicht an – was war es wohl, ein dreidimensionales Foto? Ich steckte den Bogen in die Tasche und ging. Die goldene Hölle schien auf die Köpfe der Menschen herabzufallen, eine Decke aus Feuermagma, unwirklich, aber wie ein wirkliches Feuer wütend. Niemand sah hin. Die Leute liefen emsig von einer Kabine zur anderen, grüne Buchstaben hüpften im Hintergrund, Zahlenkolonnen flössen auf schmalen Scheiben hinunter, noch andere Kabinen, Rollos statt Türen, die blitzartig beim Herannahen hochschnellten – endlich fand ich den Ausgang.
    Ein Korridor mit abschüssigem Boden wie manchmal im Theater. Aus den Wänden schossen stilisierte Muscheln, oben liefen endlos die Worte: INFOR INFOR INFOR.
    Einen Infor sah ich zum ersten Male auf der Luna und meinte, daß es eine künstliche Blume wäre.
    Ich brachte mein Gesicht dicht an den hellgrünen Kelch, der sofort, noch ehe ich die Lippen öffnete, in Erwartung erstarrte.
    Â»Wo kann ich hier raus?« fragte ich nicht sehr geistreich.
    Â»Wohin?« erwiderte sofort eine warme Altstimme.
    Â»In die Stadt.«
    Â»In welches Viertel?«
    Â»Egal.«
    Â»Auf welche Ebene?«
    Â»Egal. Ich will aus dem Bahnhof heraus!«
    Â»Meridional, Raster: einhundertsechs, einhundertsiebzehn, null acht, null zwei. Tridukt, Ebene AF, AG, AC, Mythenebene Rundweg, zwölf und sechzehn, Nadir-Ebene führt in jede südliche Richtung. Zentral-Ebene, Glider, lokal – rot, fern – weiß A, B, und W. Ulder-Ebene, unmittelbar, sämtliche Eskale vom dritten an nach oben …«, rezitierte singend eine Frauenstimme.
    Ich hatte Lust, das Mikrofon aus der Wand zu reißen, das sich da so besorgt meinem Gesicht zuwandte. Ich ging. »Idiot! Du Idiot!« wiederholte ich mir bei jedem Schritt. EX, EX, EX, wiederholte eine oben vorbeigleitende, mit zitronengelbem Nebel eingefaßte Inschrift. Ist es vielleicht Exit? Der Ausgang?
    Eine Riesenaufschrift: EXOTAL. Ich gelangte plötzlich in einen starken Luftstrom voller Wärme, so daß meine Hosenbeine flatterten. Ich befand mich unter freiem Himmel. Aber die Nachtdunkelheit, durch die Menge der Lichter entrückt, hing weit entfernt im Raum. Ein Riesenrestaurant – Tischchen, deren Oberflächen in verschiedensten Farben leuchteten, daher etwas unheimlich von unten beleuchtete Gesichter darüber, voll tiefer Schatten. Niedrige Sessel, Gläser mit einer schwarzen grünschäumenden Flüssigkeit, Lampions, die kleine Funken sprühten, nein, eher Glühwürmchen, Mengen von brennenden Nachtfaltern. Ein Lichterchaos löschte die Sterne. Als ich den Kopf hob, sah ich nur eine schwarze Leere. Trotzdem erstaunlich genug: ihre blinde Existenz gab mir irgendwie Mut. Ich stand und schaute.
    Jemand berührte mich im Vorüberstreifen, ich spürte Parfümduft, scharf und leicht zugleich, ein Paar ging vorbei, das Mädchen wandte sich dem
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