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Rubinsteins Versteigerung

Rubinsteins Versteigerung

Titel: Rubinsteins Versteigerung
Autoren: Rafael Seligmann
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aufschreien, aber kein Ton kommt aus meiner Kehle. Meine Brust droht zu zerspringen, ich bekomme keine Luft, schlage um mich. Von fern höre ich meinen Namen rufen. Es ist Suses Stimme. »Jonathan!«
    Ich spüre Suses warmen Mund auf meiner Wange, ihre Hand auf meiner Brust.
    »Jonathan!«
    Ich will Luft, mich befreien. Suse hält meinen Kopf in ihrem Arm.
    »Jonathan!« Ihre Stimme ist besorgt. »Was ist denn los mit dir? Du hast furchtbar gestöhnt und um dich geschlagen.«
    »Entschuldige.« Meine Stimme ist heiser, aber ich bekomme endlich wieder Luft. »Ich habe schlecht geträumt.«
    »Von deiner Mutter?«
    »Nein, von dir.«
    »Was habe ich dir denn Schlimmes getan?«
    »Ich habe dich gesucht und nicht gefunden.«
    »Na, wenn das kein Grund für einen Alptraum ist.« Sie lacht und küsst mich auf die Wange. Ich greife behutsam um ihren Nacken und ziehe sie zu mir.
    Wir umarmen uns.
    »Weißt du, es war ein furchtbarer Traum. Ich habe so etwas Grauenhaftes noch nie geträumt.«
    »Was denn?«
    Ich erzähle ihr den Traum.
    Sie sieht mich irritiert an. »Keine Sorge, so schnell wirst du mich nicht los.« Sie umarmt mich fest.
    »Das ist gut, Suse. Du kannst dir nicht vorstellen, wie gut mir das tut. Besonders jetzt.«
    »Vielleicht doch, Jonathan.«
    »Nanu? Ein ernster Ton aus deinem stets fröhlichen Mund?«
    »Auch ich bin nicht ununterbrochen fröhlich und albern. Und du hattest wirklich einen ganz furchtbaren Traum, der auch mich erschreckt hat. Träumst du so was öfter?«
    »Früher schon. Als ich vor ein paar Jahren mit der Schulklasse im KZ Dachau war, haben fast alle blöde Witze gemacht, vor allem, als wir die Gaskammer besichtigten.Ich habe genau wie die anderen aus Verlegenheit Späße gemacht. Zu Hause hat mich Esel, die uns nach Dachau begleitet hatte, gescholten. Ihre Familie sei vergast worden, und ich würde in der Gaskammer Spaße treiben. Ich wäre ebenso gefühllos wie die Deutschen. Nachts träumte ich, ich würde gemeinsam mit anderen in der Kammer, in der wir am Vormittag waren, vergast. Ich hatte dabei die gleichen Beklemmungen wie heute. Der Traum wiederholte sich, auch die Beklemmungen. Erst nach einigen Monaten waren die Alpträume endlich verschwunden. Bis heute!«
    »Du hast doch heute mit Herrn Frankfurter über diese furchtbaren Sachen gesprochen, und abends habe ich dich stehen lassen und bin weggelaufen.«
    »Du bist ein feinfühliger Mensch, weißt du?«
    »Ja. Aber die meisten glauben, dass ich nur albern bin.«
    »Genug jetzt mit dem ernsthaften Gequatsche! Es lebe das Vergnügen!« Ich drücke sie fest an mich.
    »Du wirst doch nicht schon wieder wollen?«
    »Doch.«
    »Prima.«
    Esel ist in ihrem Zimmer. »Na, hat dich deine Schickse stehen lassen? Jetzt ist deine Mutter wohl gut genug? Du darfst nicht allein mit dem Auto die weite Strecke nach München zurückfahren, hörst du! Am besten, du lässt den Wagen hier stehen, und Friedrich holt ihn in den nächsten Tagen ab.«
    »Ich muss dich enttäuschen, Esel. Susanne hat mich nicht verlassen. Sie wartet im Hotel auf mich. Ich war einfach der Meinung, es wäre das Beste, ihr weitere Beleidigungen zu ersparen.«
    Der Glanz in ihren Augen ist einer stumpfen Härte gewichen.
    »Red nicht so geschwollen daher! Wer bist du schon? ›Beleidigungen ersparen‹! Wer hat hier wen beleidigt? Das möchte ich mal genau wissen. Kommt daher und sagt mir, wie ich dich zu erziehen habe. Wer ist sie denn schon? Eine dahergelaufene Schickse – und die will mir vorschreiben, wie ich dich zu behandeln habe. Wenn das keine Beleidigung ist! Soll doch ein Unabhängiger entscheiden, wer im Recht ist. Komm, gehen wir zur Familie Frankfurter und fragen sie, wer beleidigt worden ist.«
    »Ich werde niemanden fragen.«
    »Dann werde ich es tun!«
    »Du wirst gar nichts tun!« Ich spüre, wie mir das Blut in den Kopf schießt. »Sobald du jemand anderen in die Sache ziehst, bin ich weg, verstanden?«
    »Aha! Einen Rest Schamgefühl besitzt du also doch noch. Du weißt ganz genau, dass ich im Recht bin, hast aber Angst, dass auch andere Leute erfahren, wie du dich zu deiner Mutter benimmst.«
    »Recht hast du. Gibt es noch andere Weisheiten, die du mir mitteilen willst?«
    »Du musst gar nicht so überlegen tun. Meinst du, weil du dein Abitur mit Ach und Krach und nur mit meiner Hilfe geschafft hast, bist du schon wer? Jetzt werde ich dir eine Weisheit sagen, eine einzige. Trenne dich sofort von dieser Schickse! Jetzt ist es noch Zeit. Diese Frau wird
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