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Rosenmörder (German Edition)

Rosenmörder (German Edition)

Titel: Rosenmörder (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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Schürze
     herum und strich das Kopftuch glatt.
    Der Bauernhof stammte aus einer anderen Zeit. Er war ein Haus wie
     eine Burg, erbaut aus dem Gestein der Gegend, verwittert über die Jahre durch
     Wind, Sonne, Regen und Schnee zu einer undefinierbaren Farbe zwischen Mausgrau
     und Maisgelb. Tief drunten lag er in einer Mulde, verschneite Wiesen zu seinen
     Füßen und den dunklen Bergwald im Rücken. Aus dem Kamin des Hauptgebäudes stieg
     Rauch in den Nachthimmel. Ein schnell fließender, eisiger Bach mäanderte ein
     paar Meter talabwärts vorbei.
    Magda hörte sein Plätschern, als sie das Foto, das sie ständig mit
     sich herumtrug, aus der Schürzentasche zog. Ihre Tochter. Liebevoll strich sie
     über das Bild. Es zeigte ihr Madl, das da oben schlief, als Schulanfängerin mit
     einer riesigen Tüte im Arm und war schon recht vergilbt. Die Einschulung war
     nach der Geburt des Kinds der schönste Tag in ihrem Leben am Hof gewesen. Ihr
     Mann, der Bauer, hatte keine Zeit gehabt. Zwei dünne Tropfen machten sich auf
     den Weg vom Handgelenk zu den Fingerspitzen. Rasch steckte die Frau das Foto
     wieder ein.
    Magda war einmal eine begehrte Dorfschönheit gewesen. Groß,
     hellbraunes Haar, die Figur proportioniert wie eine Sanduhr. In den Jahren
     ihrer Ehe hatte ihre Erscheinung an Strahlkraft verloren. Das Haar war von
     grauen Strähnen durchzogen, tiefe Falten pressten ihre Wangen nach unten, sie
     wog achtzig Kilo. In ein paar Jahren würde sie ihren fünfzigsten Geburtstag
     feiern.
    Magda machte einen langen Schritt zum Stall hin. Aus dem Augenwinkel
     sah sie ein gleißendes Licht aufblitzen.
    »Aaaaahhh!«, schrie sie auf.
    Der Futtermischwagen raste aus dem Dunkel mit aufgeblendeten
     Scheinwerfern von rechts heran. Auf dem Fahrersitz hinter der spiegelnden
     Scheibe sah sie ihren Mann toben. »Pass doch auf, du blöde Kuh«, las sie von
     seinen Lippen. Das Lippenlesen hatte sie gelernt in der Zeit mit ihm. Manchmal
     sprach er den ganzen Tag kein Wort, und sie war froh über jede gehauchte Silbe.
    Eilig verschwand sie im Stall, um mit zitternden Händen den Kühen
     die Melkschläuche anzulegen und den Kälbern über den Kopf zu streichen. Sie
     mochte den warmen Geruch ihrer Leiber.
    Als ob nichts gewesen wäre, räumte ihr Mann den Mist weg und schob
     den Tieren das Futter hin. »Diese verdammte Berufsschule sollte man in die Luft
     sprengen«, rief er ihr zu. »Dauernd sind die Lehrlinge weg.«
    Am Mittag bereitete sie das Essen für ihn, sich und das Madl zu. Es
     gab Fleischpflanzl mit Kartoffelgurkensalat, zum Nachtisch Obstsalat mit Sahne.
     Danach einen Kaffee für ihn. Es war Samstag, der 11. Dezember 1993.
    Der Milliwagen kam und holte die Milch.
    Die Frau hatte noch sieben Stunden zu leben.
    Ihr Mann verbrachte den Nachmittag mit Holzmachen im Freien und
     Maschinenpflegen im Werkstattraum. Sie reinigte die Melkmaschine, bezog mit dem
     Madl die Betten in den Ferienwohnungen und wischte und säuberte. Danach
     wechselten sie in den Vasen den künstlichen Almrausch gegen Kunststoffedelweiß
     und Plastikenzian aus.
    Von vier bis halb sechs wieder Stallarbeit. Die Frau ging ins Haus,
     stellte sich kurz unter die Dusche und begab sich in die Küche. Um halb sieben
     erwartete der Mann das Abendessen. Das Madl bezog solange die Betten in der
     Ostwohnung über dem Bulldogschuppen, stülpte die Bordüren über die
     Stofflampenschirme und zog die Fensterläden zu. Dann schloss sie den PC an. Die Gäste, die morgen kamen, hatten danach
     verlangt.
    »Kannst mir vielleicht helfen?«, brüllte der Mann durch den Flur.
     »Ohne Lehrling bin ich aufgeschmissen.« Er hustete laut. Dann kam ein kaum
     hörbares »Bittschön!«
    Die Frau drehte die Platte mit dem Nudelwasser auf null und rückte
     die Schinkenpfanne vom Herd. Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und
     warf einen Blick auf die Küchenuhr. Es war halb sieben.
    »Pack mal mit an!«
    Reifen sollte sie stapeln. Hinten an der Wand vom Bulldogschuppen. Die
     Wand war voll dunkler Dellen und Kratzer, zur Hälfte war der Putz abgesprungen.
    »Dass der Bulldog net andauernd an die Wand hinrennt«, erklärte ihr
     der Mann. »So genau kann i des nie berechnen ohne Einweiser.«
    Der Kofferradio auf dem Sitz neben ihm spielte ein Lied von Niki
     Kirchbichler. »Wie schö-hön die Liab is«, ölte der Sänger. Die Frau wusste,
     dass er auch die Gitarre dazu spielte. Sie blinzelte in das helle Kunstlicht
     unter der hohen Decke. Die
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