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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.
Autoren: Annelies Laschitza
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[…]
     Die Industrie ist jetzt derjenige Stamm geworden, aus dem alle übrigen Zweige des materiellen Lebens des Landes ihre Säfte
     ziehen. Oder richtiger gesagt, sie ist diejenige Triebfeder, die alle Gebiete des materiellen Lebens revolutioniert und sich
     unterordnet: die Landwirtschaft, das Handwerk, den Handel und die Verkehrsmittel.« 5
    Zamość, das Mitte des 19. Jahrhunderts mehr als 6000 Einwohner zählte, hatte seitdem wirtschaftlich immer mehr an Bedeutung
     verloren. »Zamość in der Mitte zwischen zwei großen Industriestandorten, Lublin und Lwów, wurde im sechzehnten Jahrhundert
     zum bedeutenden internationalen Handelszentrum am Transportweg und am Kreuzweg verschiedener Kulturen. Armenier, Türken, Griechen,
     Perser und Juden, Deutsche, Schotten und Engländer, alle genossen Vorzugsbehandlung und fanden die Stadt sehr angenehm. Die
     örtliche Aristokratie entwickelte Sinn für Bildung und Luxus. Die Zamoyski-Akademie, 1595 gegründet, bereicherte das kulturelle
     Leben der Stadt weiter.« 6 Im Schwedenkrieg blieb Zamość unversehrt, doch wurde es von Seuchen, Feuersbrünsten und Flüchtlingsströmen heimgesucht.
    An der Grenze von polnischem und ukrainischem Gebiet gelegen, ereilte die Stadt ein wechselvolles Schicksal. Bei der |16| dritten Teilung Polens 1795 fiel Zamość an Österreich. 1809 wurde die Festung im Auftrage Napoleons von polnischen Truppen
     verteidigt, nach dem Friedensschluß ging sie an das Großherzogtum Warschau und 1820/21, als die Zamoyskis ihr Majorat über
     die Stadt aufgaben, an das 1815 geschaffene Königreich Polen. Es vereinte 82 Prozent des ehemaligen Staatsterritoriums und
     wurde auch Kongreß-Polen oder Russisch-Polen genannt, denn es war mit Rußland in Personalunion verbunden. Das Zentrum von
     Zamość bildeten ein majestätisches Rathaus und ein arkadengeschmückter Platz im Spätrenaissancestil, an dem die Luxemburgs
     gegenüber dem Rathaus wohnten. Wegen seiner einzigartigen, nach italienischem Vorbild von Bernardo Morando gestalteten Anlage
     und Architektur blieb Zamość weit über die Grenzen des Landes hinaus als »Padua des Nordens« bekannt. Der jiddische Schriftsteller
     Isaac Leib Peretz, mit dem die Familie Luxemburg befreundet war, nannte die Stadt in seinen Memoiren humorvoll »Klein-Paris«. 7
    Rosa Luxemburg entstammte einer jüdischen Familie, die sich der jüdischen Aufklärung verbunden fühlte. Väterlicherseits geht
     ihre Herkunft auf Landschaftsarchitekten zurück, die Graf Zamoyski in seine Stadt holte, und mütterlicherseits in 17 Generationen
     auf Rabbiner und hebräische Gelehrte. Ihr Vater, ein Kaufmann, hieß Eliasch Luksenburg, Rosa Luxemburg nannte ihn Eduard und
     schrieb den Familiennamen mit »m«, was ihre Schwester noch 1897 verwunderte. 8 Der Vater lebte von 1830 bis 1900. Ihre Mutter Lina, geb. Löwenstein, wurde 1835 in Zamość geboren und starb 1897.
    Rosa war die Jüngste von fünf Kindern. Ihre Schwester Anna (1857–1934) sorgte sich lange Zeit mit um den elterlichen Haushalt
     und soll auch im Geschäft ihres Bruders Maksymilian mitgearbeitet haben. Sie heiratete 1909 den Baumeister Nikodem Bresler.
     Der älteste Bruder, Natan/Mikolaj (1855 bis 192?), setzte als Kaufmann die Familientradition fort und ließ sich in London
     nieder. Der Bruder Maksymilian/Munio (1860–1943) wurde Mitinhaber eines polnisch-französischen pharmazeutischen Unternehmens
     in Warschau. Józef (1866 bis 1934), der jüngste Bruder, studierte Medizin. 9 Der Internist und Neuropathologe praktizierte in Warschau und veröffentlichte |17| mehrere wissenschaftliche Arbeiten. Von der Familie kümmerte er sich am meisten um das Erbe von Rosa Luxemburg.
    Über die Kindheit äußerte sich Rosa Luxemburg selten, es gibt auch darüber wenig authentische Quellen. So ist aus den Jahren
     vor 1897 kein familiärer Briefwechsel erhalten geblieben. Luise Kautsky hat in ihrem »Gedenkbuch« festgehalten, was die Geschwister
     erzählten: »Die Aufschlüsse über Rosas erste Kindheit, die ich den Mitteilungen von Rosas Bruder, Dr. Josef Luxemburg, verdanke,
     und die ich zum Teil in seinen eigenen Worten wiedergebe, waren mir daher sehr willkommen, denn sie ließen mir manche Charakterzüge
     Rosas in viel klarerem Lichte erscheinen. […] Ihr Vater, Eduard Luxemburg, besaß ein eigenes Haus und war ein in der Stadt
     angesehener Kaufmann, der ebenfalls einer wohlhabenden kaufmännischen Familie entstammte. Rosas Großvater hatte in ständigem
    
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