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Robinson Crusoe

Robinson Crusoe

Titel: Robinson Crusoe
Autoren: Daniel Defoe
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und sagte zu ihm: «Xury, willst du mir treu bleiben, so werde ich einen großen Mann aus dir machen; wenn du dir aber nicht übers Gesicht streichen und mir bei Mahomet und seines Vaters Bart Treue schwören willst, muß ich dich auch ins Meer werfen.» Der Junge lächelte mich an und redete so unschuldig, daß ich ihm nicht mißtrauen konnte, und schwor mir treu zu sein und mit mir durch die ganze Welt zu gehen.
    Solange ich in Sicht des schwimmenden Mauren war, steuerte ich geradenwegs der hohen See zu, hart am Wind, damit sie denken sollten, ich sei auf die Meerenge zu gefahren, wie ohnedies jeder vernünftige Mensch annehmen mußte; denn wer hätte glauben können, wir seien nach Süden gesegelt zu der Barbarenküste, wo ganze Völker von Schwarzen uns unfehlbar mit ihren Kanoes umzingeln und umbringen würden und wo wir keinen Schritt an Land tun könnten, ohne von wilden Tieren oder noch wilderen Menschen ohne Erbarmen gefressen zu werden?
    Allein am Abend, sobald es dunkel wurde,
    veränderte ich meinen Kurs und steuerte geradenwegs nach Süd zu Ost, immer etwas mehr nach Ost haltend, um unter der Küste zu bleiben; und da ich einen hübschen steifen Wind hatte und glatte See, machte ich so gute Fahrt, daß ich glaube, als ich am nächsten Tage um drei Uhr nachmittags Land sichtete, konnte ich nicht weniger als 150 Meilen südlich von Salee sein, also weit über des Kaisers von Marokko oder irgendeines ändern Königs Gebiet hinaus; denn es war keine lebendige Seele zu
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    erblicken. Aber der Schreck vor den Mauren und die Angst, ihnen wieder in die Hände zu fallen, steckte mir noch so in den Knochen, daß ich nicht an Land oder vor Anker ging, sondern, da der Wind anhielt, noch fünf Tage lang so weitersegelte. Als er aber dann nach Süden sprang, nahm ich an, daß, wenn sie etwa auf mich Jagd machten, sie es nunmehr auch aufgeben würden. Also wagte ich es, an Land zu gehen und in der Mündung eines kleinen Flusses, ich wußte nicht wo oder was für eines, noch unter welcher Breite und bei welchem Volk, zu ankern. Was ich vor allem brauchte, war Trinkwasser. Es war Abend, als wir in diese Bucht kamen, und wir beschlossen, sobald es dunkel würde, ans Ufer zu schwimmen und die Gegend zu erkunden; aber kaum war es Nacht, so hörten wir ein so gräßliches Getöse vom Bellen, Brüllen und Heulen wilder Tiere uns unbekannter Art, daß der arme Junge vor Angst beinahe starb und mich anflehte, nicht vor Tag ans Ufer zu gehen. «Gut, Xury», sagte ich, «dann will ich's nicht tun; aber vielleicht werden wir am Tage Menschen zu sehen bekommen, die noch schlimmer sein werden als diese Löwen!» -
    «Dann», sagte Xury lachend, «wir geben sie Schuß, machen sie laufen weg!» - Ich war froh, den Jungen so lustig zu sehen, und ich gab ihm aus der
    Flaschenkiste unseres Patrons einen Schluck zur Stärkung. Schließlich war Xurys Rat gut, ich nahm ihn an, wir warfen unsern kleinen Anker aus und lagen die ganze Nacht über still; ich sage still, denn wir schliefen nicht, und nach zwei bis drei Stunden sahen wir großmächtige Bestien, deren Namen wir nicht nennen konnten, von allerhand Gattung zum Ufer herabkommen und ins Wasser springen, wo sie sich
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    mit Behagen wälzten, um sich abzukühlen ; und sie vollführten ein so scheußliches Geheul, wie ich mein Lebtag nicht gehört habe.
    Xury hatte schreckliche Angst und ich auch. Aber unser Entsetzen stieg noch, als wir eines dieser gewaltigen Geschöpfe auf unser Boot zu schwimmen hörten. Sehen konnten wir es nicht; aber wir konnten an seinem Schnaufen erkennen, daß es ein riesiges, wildes Ungeheuer war; Xury meinte, es sei ein Löwe, und es mag auch wirklich einer gewesen sein. Der arme Kerl schrie mir zu, wir sollten den Anker lichten und davon rudern. «Nein, Xury», sagte ich, «wir können unser Ankertau mit der Boje länger auslassen und seewärts halten; weit können sie uns nicht folgen.» Kaum hatte ich das gesagt, als ich die Bestie zwei Ruderlängen weit vor uns auftauchen sah, was mir etwas in die Glieder fuhr: doch lief ich eilends zur Kajüte, nahm mein Gewehr und schoß auf das Vieh, worauf es augenblicklich kehrtmachte und wieder ans Ufer schwamm.
    Unmöglich aber vermag ich den fürchterlichen Lärm, das gräßliche Schreien und Heulen zu beschreiben, das der Knall des Büchsenschusses sowohl am Ufer hin als höher landeinwärts aufstörte.
    Ich möchte wahrhaftig glauben, diese Geschöpfe hatten nie so etwas gehört. Das überzeugte mich
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