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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan.
Autoren: Carlos Castaneda
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Realität zu bezeichnen gelernt haben«, klassifizieren möchte.
    Ich bin davon überzeugt, daß all diese Schritte nur im Sinn der Beschreibung verstanden werden können, der sie angehören; und da es eine Beschreibung war, die er mir von Anfang an zu vermitteln trachtete, darf ich nur seine Lehren als einzigen Zugang zu ihr gelten lassen. Darum lasse ich auch Don Juans Worte für sich selbst sprechen.
    C. Castaneda, 1972

ERSTER TEIL:  »Die Welt anhalten«

1. Bestätigungen durch die Welt um uns herum
    »Soviel ich weiß, verstehen Sie sehr viel von Pflanzen, Senor«, sagte ich zu dem  alten Indianer mir gegenüber. Ein Freund von mir hatte uns zusammengebracht und dann den Raum verlassen, und wir hatten uns miteinander bekannt gemacht. Der alte Mann hatte mir gesagt, sein Name sei Juan Matus.
    »Hat Ihr Freund Ihnen das gesagt?« fragte er beiläufig. »Ja, hat er.«
    »Ich sammle Pflanzen, oder besser, sie erlauben mir, sie zu sammeln«, sagte er  sanft.
    Wir befanden uns im Warteraum einer Busstation in Arizona. Ich bat ihn in sehr höflichem Spanisch, ob er mir erlaube, ihn zu befragen. Ich sagte: »Würde der Herr [caballero] mir gestatten, ihm einige Fragen zu stellen?«
    Caballero, abgeleitet von dem Wort caballo, Pferd, bedeutete ursprünglich Reiter oder berittener Adliger. Er sah mich fragend an.
    »Ich bin ein Reiter ohne Pferd«, sagte er mit breitem Lächeln und fügte hinzu: »Ich sagte Ihnen doch, ich heiße Juan Matus.« Ich mochte sein Lächeln. Ich dachte bei mir, daß er offenbar ein Mann sei, der Direktheit bevorzugte, und so beschloß ich, ihm geradeheraus eine Frage zu stellen.
    Ich erzählte ihm, daß ich mich für das Sammeln und das Studium medizinischer Pflanzen interessierte. Mein besonderes Interesse, sagte ich, gelte dem Gebrauch des halluzinogenen Kaktus Peyote, den ich eingehend an der Universität von Los Angeles studiert hätte.
    Ich meinte, dies sei eine sehr seriöse Einführung. Sie klang doch sehr zurückhaltend und sogar für mich selbst glaubhaft. Der alte Mann schüttelte langsam den Kopf, und durch sein Schweigen ermutigt, fügte ich hinzu, es würde zweifellos für uns beide von Nutzen sein, wenn wir zusammenkämen, um uns über Peyote zu unterhalten. In diesem Augenblick hob er den Kopf und sah mir offen in die Augen. Es war ein unheimlicher Blick. Doch war er keineswegs drohend oder furchteinflößend. Es war ein Blick, der mir durch und durch ging. Sofort war meine Zunge wie gelähmt, und ich konnte nicht fortfahren, meine selbstbewußten Reden zu schwingen. Dies war das Ende unserer Begegnung. Aber er ließ mich nicht ganz ohne Hoffnung. Er meinte, ich könne ihn vielleicht irgendwann bei sich zu Hause besuchen. Die Wirkung von Don Juans Blick ließe sich schwer ermessen, wenn nicht alle meine  Erfahrungen für die Einzigartigkeit des Vorgangs sprächen. Als ich mit dem Studium der Anthropologie begann und dadurch Don Juan begegnete, war ich bereits ein Experte im »Sich-Durchlavieren«. Schon Jahre vorher war ich von zu Hause fortgegangen, und in meinen Augen bedeutete dies, daß ich imstande war, selbst für mich zu sorgen. Immer wenn ich abgewiesen wurde, konnte ich mich für gewöhnlich irgendwie einschmeicheln, Konzessionen machen, diskutieren, wütend werden, und wenn sonst nichts half, pflegte ich zu jammern und zu klagen; mit anderen Worten, je nach den Umständen wußte ich mir immer zu helfen, und noch nie hatte mich ein Mensch so schnell und so endgültig gebremst wie Don Juan an diesem Nachmittag. Es ging aber nicht nur darum, daß ich zum Schweigen gebracht wurde; es hatte in meinem Leben Gelegenheiten gegeben, bei denen ich unfähig gewesen war, auch nur ein Wort an meinen Gegner hervorzubringen, weil ich tief innen irgendwie Respekt für ihn empfand, und mein Ärger und meine Frustration sich dennoch in meinen Gedanken äußerten. Don Juans Blick jedoch hatte mich derart betäubt, daß ich nicht mehr zusammenhängend denken konnte. Ich wurde von diesem ungeheuren Blick regelrecht angezogen und ich beschloß, mich auf die Suche nach ihm zu machen. Ich bereitete mich nach dieser ersten Begegnung sechs Monate lang vor und las alles über den Gebrauch von Peyote bei den Indianern Amerikas, besonders über den Peyote-Kult der Prairie-Indianer. Ich machte mich mit allen verfügbaren Werken vertraut, und als ich glaubte bereit zu sein, fuhr ich zurück nach Arizona.
Samstag, 17. Dezember 1960
    Nach langem, anstrengendem Umherfragen bei den am Ort
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