Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Titel: Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Lachen beinahe die Rippen gebrochen, als sie ihn sagen hörten:
    Taytayre tju potjuloe ricjubance sjub tigmini faidschai.
    Jacques hatte sich niemals Gedanken darüber gemacht, in welcher Weise lateinische Worte über die Lippen eines Engländers kamen. Das Stück wurde schwungvoll gespielt, und die Tochter des Direktors, Miss Maria Harris, teilte sich mit ihrem Vater die Honneurs dieses Abends.
    Die Reisenden verließen das Theater um elf Uhr, todmüde, wie gerädert und im Stehen einschlafend. Was für ein Tag nach einer Nacht in einem Vergnügungszug! Sie gingen die Regent Street hinunter, um nach einem dringend notwendigen Wagen Ausschau zu halten; die Straßen waren schon fast wie ausgestorben um eine Zeit, wo sie in Paris von Menschen und Lichtern erfüllt sind. Die seit acht Uhr abends geschlossenen Läden verschenkten nicht länger ihren freundlichen Schein, nur hin und wieder drang ein matter Strahl durch die Milchglasscheiben eines Bier-oder Whiskyausschanks. An den Hauswänden entlangschleichend, huschten die Policemen geheimnisvoll über die Bürgersteige, mit ihrer brennenden kleinen Laterne am Gürtel. Sie stießen mit der Hand gegen jede Tür, an der sie vorüberkamen, um sich zu vergewissern, daß sie verschlossen war; zuweilen trafen sie einander, flüsterten sich eine kurze Botschaft ins Ohr und zerstreuten sich in alle Richtungen.
    Als sie zum Hay Market kamen, änderte sich das Bild, die Stille wich dem Lärm, buntes Treiben folgte auf die Abgeschiedenheit. Hunderte Frauen in unbeschreiblicher Aufmachung bevölkerten einen der Gehsteige dieser breiten Straße. Sie übten ihr gefährliches Gewerbe mit einer Ungezwungenheit, einer Keckheit und einer Provokation aus, die von den Policemen nichts zu befürchten haben; im übrigen gingen sie um diese Zeit auf den Markt oder an die Börse, und sie schienen auf den Handel mit ihren Waren ebensoviel Sorgfalt zu verwenden wie ein Kaufmann aus der City. An diesem Abend lieferten sich all diese Kreaturen einen erbitterten Konkurrenzkampf, denn das Angebot überstieg die Nachfrage, und Geschäfte wurden bestimmt nur zu stark herabgesetzten Preisen abgeschlossen.
    Wie viele junge, aber vom Laster bereits zerstörte Mädchen waren unter diesen Frauen! Wie viele frische und hübsche Geschöpfe haben ihre Schönheit und ihre Jugend in diesen öffentlichen Tavernen gelassen, in denen die Liebschaften aus Gin und Branntwein neue Kraft schöpfen; diese Etablissements bleiben bis zum Tagesanbruch geöffnet und stellen manch einer abgestumpften Lais vom Hay Market ihre Sofas und Liköre zur Verfügung.
    Auch wenn die Quantität gleichbleibt, je weiter man sich in diesen engen und schlammigen Gassen der Themse nähert, so wird doch die Qualität schlechter, und Szenen der Trunkenheit und der Ausschweifung vermischen sich mit Szenen von Mord und Blut.
    Jacques und Jonathan, die sich von diesem widerwärtigen Schauspiel nicht besonders angezogen fühlten, fanden schließlich eine Droschke, die sie ins London Bridge Hotel zurückbrachte; und hier fielen sie in einen Schlaf, der jenem der Schlaflosigkeit überlegen ist, nämlich in den Schlaf der völligen Erschöpfung.
Vierundvierzigstes Kapitel
Mit dem Schiff auf der Themse
    Am nächsten morgen wurde Jonathan von Jacques geweckt.
    »Das ist unser letzter Tag! Marsch! Marsch! Wir sind die ewigen Juden des Tourismus, von nun an geht es nicht mehr ums Vergnügen, sondern um die Pflicht! Unaufhörlich sehen, noch mehr sehen, immer nur sehen, so lautet unser Wahlspruch!«
    »A propos, mein lieber Jacques, ist dir aufgefallen, daß die meisten Wahlsprüche englischer Städte oder Orden in französischer Sprache abgefaßt sind? Das ›Dieu et mon droit‹ auf dem Wappen Englands oder auch das ›Honny soit qui mal y pense‹ des Hosenbandordens.«
    »Das ist allerdings merkwürdig.«
    »Natürlich kommt es von der Eroberung durch die Normannen; während zwei Jahrhunderten haben diese guten Insulaner unser Idiom gesprochen!«
    »Na, davon ist in ihrer Aussprache aber nichts hängengeblieben. Im übrigen, Jonathan, ist deine Beobachtung vollkommen richtig, doch sie könnte ungemein gewinnen, wenn sie an der frischen Luft gemacht würde. Beeilen wir uns, und dann nichts wie weg; ich bin das Programm für den heutigen Tag noch einmal durchgegangen, es wird nichts fehlen.«
    In wenigen Minuten hatten die zwei reiselustigen Burschen ihre Toilette beendet; sie verließen das Hotel und, nachdem sie die London Bridge überquert hatten,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher