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Raum

Raum

Titel: Raum
Autoren: Emma Donoghue
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Raum.«
    »Was denn, den ganzen?«
    »Müssen wir denn sonst was machen?«
    Sie guckt mich komisch an. »Wohl kaum.«
    Ich schreibe alle Zahlen auf, zum Beispiel ist das Groß von Türewand bis da, wo Dach anfängt, 200 Zentimeter. »Weißt du was?« sage ich Ma. »Jede Korkfliese ist beinahe ein Fitzelchen größer als Lineal.«
    »Mensch«, ruft sie und schlägt sich auf die Stirn. »Die sind garantiert 30 Zentimeter im Quadrat. Bestimmt habe ich das Lineal ein bisschen zu kurz gemacht. Lass uns einfach nur die Fliesen zählen, das geht einfacher.«
    Ich fange an, das Groß an Bettwand zu zählen, aber Ma sagt, alle Wände sind dieselben. Eine andere Regel ist, dass das Breit von den Wänden genauso ist wie das Breit von Boden, ich kriege in beide Richtungen 330 Zentimeter raus, das heißt, Boden ist ein Quadrat. Tisch ist ein Kreis, das bringt mich durcheinander, aber Ma misst sie in der Mitte, wo sie am meisten breit ist, und das sind hundert Zentimeter. Mein Stuhl ist 95 Zentimeter hoch und der von Ma ganz genauso, das sind fünf Zentimeter weniger als ich. Dann hat Ma keine richtige Lust mehr weiterzumessen, deshalb hören wir auf.
    Ich male die Zahlen mit unseren Buntstiften ganz verschieden an. Davon haben wir fünf, sie sind blau, orange, grün, rot und braun. Als ich fertig bin, sieht das Blatt aus wie Teppich, nur verrückter. Ma sagt, ich kann es ja zum Abendessen als Set benutzen.
    Heute Abend suche ich mir Spaghetti aus, außerdem gibt es frischen Brokkoli, aber den suche ich mir nicht aus, er ist einfach nur gut für uns. Mit Zickzackmesser hacke ich den Brokkoli in Schnipsel. Wenn Ma nicht hinguckt, schlucke ich manchmal einen runter, und dann sagt sie: »Oh nein, wo ist denn das große Stück hin?«, sie ist aber nicht in echt sauer, weil Rohkost uns besonders lebendig macht.
    Auf den zwei Platten von Herd macht Ma alles heiß, die werden dann ganz rot. Ich darf die Knöpfe nicht anfassen, weil Ma nämlich darauf aufpassen muss, dass es nie ein Feuer gibt so wie im Fernseher. Wenn die Platten nur einmal an so was wie ein Trockentuch oder sogar noch unsere Anziehsachen kämen, dann würde es überall Flammen mit orangenen Zungen geben. Die würden Raum zu Asche verbrennen, und wir würden husten und ersticken, und es täte ganz schlimm weh.
    Ich mag den Geruch nicht, wenn Brokkoli kocht, aber er ist immer noch besser als der von grünen Bohnen. Gemüse ist alles in echt, aber Eiscreme ist Fernseher, ich wünschte, die wäre auch in echt. »Ist Pflanze Rohkost?«
    »Na ja, irgendwie schon, aber nicht zum Essen.«
    »Warum hat er keine Blumen mehr?«
    Ma zuckt die Achseln und rührt die Spaghetti. »Er ist müde geworden.«
    »Dann sollte er mal schlafen.«
    »Wenn er aufwacht, ist er trotzdem noch müde. Vielleicht hat die Erde in seinem Topf nicht mehr genügend Nahrung.«
    »Er könnte meine Brokkoli haben.«
    Ma lacht. »Nicht solche Nahrung. Pflanzennahrung.«
    »Wir könnten doch danach fragen, als Sonntagsgutti.«
    »Ich habe schon eine lange Liste von Sachen, nach denen wir fragen müssen.«
    »Wo?«
    »Bloß im Kopf«, sagt sie. Sie fischt einen Spaghettiwurm raus und zerbeißt ihn. »Ich glaube, sie mögen Fisch.«
    »Wer?«
    »Pflanzen. Sie mögen verdorbenen Fisch. Oder waren es Fischgräten?«
    »Bäh.«
    »Vielleicht können wir das nächste Mal, wenn wir Fischstäbchen essen, ein bisschen unter der Pflanze vergraben.«
    »Aber nicht von meinen.«
    »Na gut, dann ein bisschen von meinen.«
    Spaghetti sind mein Leibgericht ist das Lieblingslied der Hackebällchen, und das singe ich jetzt, während Ma unsere Teller vollmacht.
    Nach dem Abendessen kommt etwas Irres, wir machen nämlich einen Geburtstagskuchen. Ich wette, der wird delicioso , mit so vielen Kerzen, wie ich alt bin, und am Brennen, so was habe ich noch nie in echt gesehen.
    Ich bin der beste Eierbläser überhaupt, der Glibber kommt bei mir alles auf einmal rausgeflutscht. Für den Kuchen muss ich drei ausblasen, dafür nehme ich die Nadel von Impression – Sonnenaufgang. Ich glaube, das verrückte Pferd würde sauer werden, wenn ich Guernica abnähme, trotzdem ich die Nadel immer sofort wieder zurückstecke. Ma findet, dass Guernica das beste Meisterwerk ist, weil es am meisten in echt ist, aber in Wahrheit ist es total komisch. Das Pferd schreit mit ganz vielen Zähnen, weil ein Speer in es hineingestecht wird, plus ein Stier und eine Frau, die ein labberiges Kind mit dem Kopf nach unten hält, und eine Lampe mit einem Auge.
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