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Rashminder Allerlei (German Edition)

Rashminder Allerlei (German Edition)

Titel: Rashminder Allerlei (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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hätte er bei einer liebenden Familie aufwachsen dürfen?
    „Es ist wahr“, sagte Kaiden leise. „Es ist wahr, dass Liebe zu gewinnen bedeutet, sie irgendwann zu verlieren. Sei es durch Änderung der Gefühle, sei es durch Schicksal oder Tod. Es ist wahr, dass Glück zu haben bedeutet, irgendwann auch Unglück zu erfahren. Es ist wahr, dass Leben bedeutet, sterben zu müssen.“
    Langsam streckte er die Hand aus, in Richtung Varels Kopf. Der versuchte hektisch zurückzuweichen, doch Natt und Cael hielten eisern dagegen.
    „All dies ist die Wahrheit“, fuhr Kaiden fort, während seine Finger Stirn und den beinahe kahlen Schädel des Mannes berührten, der solch grausames Leid über ihn gebracht hatte.
    „Du hast dich entschieden, nicht zu lieben, niemals glücklich zu sein, nicht zu leben, sondern stattdessen einsam und unglücklich dein Dasein zu fristen. Ich habe die andere Möglichkeit gewählt. So, wie du meine Wahl für Dummheit hältst, so denke ich über deine Entscheidung.“
    Er schloss die Lider und konzentrierte sich.
    „Was hast du vor? Was machst du mit mir?“, brüllte Varel panisch. Er schwitzte und wand sich mit aller Kraft. Natt musste dabei helfen, seinen Kopf zu fixieren.
    „Ich werde dir nicht wehtun. Alles, was ich suche, ist die Wahrheit.“
    „Wahrheit, pah! Meine Wahrheit sind deine Lügen! Du wirst niemals …“
    Varel brach ab. Sein Körper versteifte sich, als Kaiden seiner Magie freien Lauf ließ. Er fand rasch, was er suchte und um es nicht den anderen mühselig erzählen zu müssen, ließ er sie einfach an der Vision teilhaben. Dabei musste er scharf aufpassen, dass er die wirklichen Geschehnisse zeigte, und nicht das, was Varels Unterbewusstsein im Laufe der Zeit daraus gemacht hatte.

    Varel kletterte mit letzter Kraft aus dem Fass, das ihn bis an den Strand gebracht hatte. Ein fremder Strand war das, doch darüber war er froh. Seine Eltern, seine Geschwister ... Sie hatten ihn mit Gewalt in dieses Fass gesteckt und den Deckel zugenagelt; ihn mit dem Fischerboot auf das Meer hinausgerudert und dort ins Wasser geworfen, um ihn seinem Schicksal zu überlassen. Und das alles bloß, weil Varel einem wilden Eber, der das magere Gemüsebeet seiner Mutter verwüstete, wütend zugebrüllt hatte: „Tot sollst du umfallen, Bestie!“
    Ja, er hätte solch böse Dinge nicht sagen dürfen, nur schlechte und gottlose Menschen fluchten. Jedenfalls behauptete Mama das. Aber ihn dafür gleich wegzuwerfen wie fauligen Fisch, das war ungerecht. Alle hatten ihn angeschrien, geschlagen und getreten, bis er blutend dagelegen hatte, unfähig, sich zu wehren oder die Flucht zu ergreifen.
    Leise schluchzend lag er im nassen Sand. Was sollte er jetzt tun? Wenn Papa erfahren sollte, dass er dort im Fass noch Schlimmeres getan hatte, als einen Eber zu beschimpfen ... „Die Flut soll euch fressen! “, hatte er weinend geschrien. Es war fürchterlich eng in diesem Fass gewesen, und atmen war ihm immer schwerer gefallen. Gut, dafür war kein Wasser reingekommen.
    Kurz nachdem Varel diesen bösen, bösen Satz gerufen hatte, war sein Fass von hohen Wellen gepackt worden, die ihn umhergeschleudert hatten. Ihm war so schlecht geworden, dass er sich erbrochen hatte. Daran wäre er fast erstickt, doch da war er gegen Felsen gekracht, die das Holz zum Bersten brachten. Die nächste Welle hatte ihn auf den Strand geschoben.
    Varel wusste, wenn er zu lange von Zuhause wegblieb, würde er Schläge bekommen. Aber wie sollte er von hier zurückfinden? Auch wenn er bald schon mächtig alt war, beinahe sechs Sommer, Varel kannte immer noch nicht alle Strandabschnitte der Farklandinseln.
    Wenn ich liegen bleibe, müssen sie mich holen kommen , dachte er müde. Würde ihnen ganz recht geschehen, dass sie ihn suchen mussten, nachdem sie so gemein zu ihm gewesen waren! Wenn sie sich richtig um ihn sorgten, würde die Strafe vielleicht ausfallen. Schließlich hatte Varel für heute bereits genug Prügel bekommen, ihm tat alles weh. Hunger hatte er außerdem, und ganz schrecklichen Durst. Der abendliche Wind war kalt, umso mehr, da er klatschnass geworden war. Ein Glück, dass er nicht die gute Hose angezogen hatte!
    Wo bleiben die denn so lange?
    Normalerweise suchte Mama ihn schon, bevor er es um die Hausecke geschafft hatte!
    Und wenn sie mich gar nicht finden wollen?
    Zumindest hatten sie ihn in das stinkende Fass gesteckt.
    Nein. Mama sagt jeden Abend, dass sie mich immer lieb haben wird, auch wenn ich richtig Unsinn
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