Rache - 01 - Im Herzen die Rache
einen Schrecken eingejagt. Ich mach mich gerade für die Schulversammlung fertig und –« Em brach ab, als sie merkte, dass Gabby weinte. Richtig schluchzte.
»Gabs? Was ist los?« Instinktiv sah sie aus dem Fenster, doch der Garten vor dem Haus war leer und verlassen. Der Mond stand tief und warf silbrig-dunkle Schatten auf die immer noch verkrustete Schneedecke.
»Ich kann nicht – Em – komm mich abholen – er hat mich geschlagen – wir haben uns gestritten –« Gabby war hysterisch und sprach in Satzfetzen, die durch Schluchzer unterbrochen wurden.
»Moment mal, Gabby, was?« Em war plötzlich hellwach. »Wer hat dich geschlagen?«
»Zach …« Kaum hatte Gabby den Namen ausgesprochen, verwandelte sich ihre Stimme in ein weiteres Schluchzen und ihre Worte waren einen Augenblick lang nicht mehr zu verstehen. Dann erzählte sie weinend: »Er wollte reden. Ich weiß, ich hätte nicht hingehen sollen, aber –« Ihre Worte wurden von einem erneuten Schluchzer erstickt. »Wir haben uns gestritten und er … Ich kann es einfach nicht glauben. Ich bin ganz allein hier.« Inzwischen jammerte sie lautstark und in immer höherer Tonlage.
Em dröhnte das Blut in den Ohren. Zach hatte Gabby geschlagen – ihre kleine süße Gabby. Oh Gott. Ich bringe ihn um!
Sie bemühte sich, ruhig zu klingen. »Gabby. Ist schon gut. Sag mir bitte einfach, wo du bist.« Em klemmte sich beim Sprechen das Handy zwischen Schulter und Ohr, zog sich gleichzeitig Socken an und suchte fieberhaft nach ihren Stiefeln.
»Ich kann es einfach nicht glauben«, sagte Gabby noch einmal.
»Ich hol dich ab, hab keine Angst.« Die Stiefel endlich an den Füßen, begann Em wie verrückt nach ihren Schlüsseln zu suchen. Seit ihr Auto schon wieder in der Werkstatt war, damit die Bremsleitungen in Ordnung gebracht wurden, fuhr sie den Toyota ihrer Mom.
»Ich bin einfach aus seinem Wagen gesprungen. Bin losgelaufen … Jetzt bin ich in dem neuen Einkaufszentrum. Ich musste irgendwo rein.« Wieder ein Schluchzer. »Mir ist ja so kalt.«
»Okay, Gabby? Hör mir zu. Bleib einfach, wo du bist.« Schlüssel. Schlüssel. Schlüssel. Wo zum Teufel hatte sie die bloß hingelegt? »In einer Viertelstunde bin ich bei dir. Rühr dich nicht vom Fleck, verstanden?«
»Ist gut.« Schnief. »Ist gut.«
»Ich bin schon unterwegs, Gabby.« Em legte auf und fand endlich ihre Schlüssel auf dem Fensterbrett, wo sie sie nach ihrer Unterhaltung mit JD hatte liegen lassen. Oh Gott. JD. Sie wählte seine Nummer.
»Ja bitte, gnädige Frau?« Der fröhlich erregte Klang seiner Stimme ließ ihr das Herz aufgehen.
»Hey. Hi. Tut mir leid, aber …« Sie verstummte. Plötzlich hatte sie das Gefühl, gleich weinen zu müssen.
»Was gibt’s denn? Was tut dir leid?«
»Es ist bloß … Gabby geht’s nicht gut. Es ist ziemlich schlimm. Ich muss zu ihr.« Em hoffte, dass sie sich nicht so verzweifelt anhörte, wie sie sich fühlte.
»Oh. Klar.« JD klang enttäuscht.
»Ich, also … nicht dass du denkst, ich spinne oder so«, sagte Em und stolperte über ihre eigenen Worte, weil sie sich nicht sicher war, wie viel sie ohne Gabbys Zustimmung von der Sache erzählen durfte. »Ich will heute Abend auf jeden Fall mit dir kommen. Und wenn alles gut geht, sind wir rechtzeitig zum Lagerfeuer da. Ich muss Gabs nur vorher abholen. Sie … sie ist noch nicht mal zu Hause. Sie ist beim Shopping-Monster.«
»Beim Shopping-Monster? Wieso das denn? Geht es ihr gut? Soll ich mit dir kommen?«, bot JD, ohne zu zögern, an. Das wollte sie liebend gern, doch sie wusste nicht, wie Gabby auf seine Anwesenheit reagieren würde.
»Nein. Ich meine, ja, oder lieber nicht. Ich glaube, ich sollte lieber alleine hingehen und nachsehen, ob alles mit ihr in Ordnung ist. Aber danke für das Angebot.«
»Ist doch klar. Und du denkst, du schaffst es noch bis zum Lagerfeuer?« Am liebsten hätte Em die Schnur zwischen ihren Fenstern als Drahtseil benutzt und wäre direkt ins sein Zimmer und seine Arme balanciert, so hoffnungsvoll klang seine Stimme.
»Ja. Ganz bestimmt. Versprochen. Bis später, okay?«
»Bis später. Ruf auf alle Fälle an oder sims mir, wenn du etwas brauchst.«
Damit sauste sie die Treppe hinunter, schnappte sich ihren Mantel vom Garderobenhaken in der Diele, rief welchem auch immer im Wohnzimmer anwesenden Elternteil »Ich gehe Gabby abholen und dann auf die Schulversammlung! Wird später heute!« zu und versuchte, dabei so wenig panisch wie möglich zu klingen.
»Ist gut,
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