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Rabenschwarz

Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz
Autoren: Ralf Kramp
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kaltblütig, seine Frau auf diese Art und Weise auszuradieren .
    »Das mit Rosi war ein Unglück. Ich bin mir sicher. Richard hat sie geliebt. Wenn ich mich anstrenge, kann ich die Szene regelrecht vor mir sehen: Richard und Rosi, die miteinander um die Kassette kämpfen. Rosi war zu ehrlich, um Richards Erpressertour mitzumachen. Das wurde ihr zum Verhängnis. Hätte sie doch nicht auf Richards Rat am Telefon gehört!«
    Unterdessen hatten sie den Ortsrand von Buchscheid erreicht. Wie schon einige Male zuvor ließ Herbie den Wagen an der Straße vor Richards und Rosis Haus stehen und stieg die Stufen hinunter. Rufus folgte aufgeregt. Julius tönte schon an der Straße:   Spar dir den Weg! Der Vogel ist ausgeflogen .
    Er behielt recht. Im Inneren des Hauses war es stockfinster. Herbie machte ein paar unmotivierte Schritte um das Haus herum, und Rufus begutachtete die offen stehende, leere Garage. Der Abend senkte sich mit atemberaubender Geschwindigkeit über Buchscheid. Wind kam auf und zupfte an den restlichen dürren Blättern der Bäume. Herbie atmete tief ein.
    Er spielte die ganze Geschichte noch einmal in groben Zügen durch und fand keinen Fehler darin. So, und nur so konnte es gewesen sein. Jetzt konnte er sich auch einen Reim darauf machen, warum er in der Nacht seines Milch-Abenteuers nicht getötet worden war. Vermutlich hatte er das einzig und allein der Tatsache zu verdanken, dass er einmal mit Richard Kley zusammen die Schulbank gedrückt hatte.
    Eine gute Ausbildung verbindet eben , meinte Julius lapidar.
    »Komm mal her!«, ertönte Rufus’ aufgeregte Stimme aus der Garage.
    Als Herbie ihn fand, kniete er auf dem ölfleckigen Betonboden der Garage und weinte. Dicke Tränen rannen über die dunkle Haut seiner Wangen. Es sah aus wie schwarzer Lack. In seinen Händen hielt er ein kleines Schmuckstück, das aus Federn und Perlen zusammengesteckt war. »Das gehört mein Fritz«, schluchzte er. »Ich hab Angst. Was sollen wir nur tun?«
    Julius stemmte verärgert die Hände in die Seiten.   Wenn dem Mädchen was passiert, hoffe ich, dass deine Tante einen bestechlichen Maurer findet, der sich bereit erklärt, deine jämmerliche Gestalt in einem entlegenen Winkel ihres Kellers einzumauern. Ich werde bis zu deinem letzten Atemzug bei dir bleiben und mich daran ergötzen!
    »Wir müssen los. Zuerst holen wir eure Sachen, das Geld und die Tickets. Wir sollten darauf achten, dass uns im Hotel keiner bemerkt. Ich kann mich irren, aber ich glaube, ich weiß, wo wir sie treffen werden.«

Sechzehntes Kapitel
    Faßbender klimperte verheißungsvoll mit dem Schlüsselbund. »Ein seltsamer Mensch. In der Tat. Ich kann nur so viel sagen: ganz große Familie aus dem Ruhrpott! Man sollte es nicht meinen, wenn man seine Schuhe sieht, aber er hat Stil und Klasse. Natürlich sehr exzentrisch, unser Herr Lohse. Jetzt hat er sich auch noch dieser komischen Laienspielgruppe angeschlossen, die gerade oben im Saal aufführt. Tststs. Gefällt er Ihnen, Frau Schütze-Appelbach?« Die sichtlich alkoholisierte Seminarmanagerin an seiner Seite kicherte enthemmt. »Ob Sie’s glauben oder nicht, Direktorchen, ich finde ihn ganz schön putzig.«
    Faßbender legte lüstern grinsend den Arm um ihre Hüfte. »Putzig kann ich auch sein, das dürfen Sie mir ruhig glauben.« Dann drehte er den Schlüssel im Schloss. »Jetzt zeige ich Ihnen mal etwas wirklich Beeindruckendes.« Seine Hand wanderte ihren Rücken hinunter zu ihrem Gesäß und drückte ihren Unterkörper unerwartet fest gegen den seinen. Dann öffnete er die Türe.
    »Voilà!« Er schaltete das Licht ein.
    Dann erschlaffte sein kraftvoller Griff, und er stieg langsam und fassungslos Stufe um Stufe in die jämmerlichen Reste seines ehemals so stolzen Weinkellers hinunter. Der ganze Raum war ein einziger Scherbenhaufen. Der Steinfußboden war schwarz von der Nässe des versickernden Rebensafts. Regale lagen zertrümmert übereinander, und ein unüberschaubares Meer von Flaschenhälsen reckte sich dazwischen grünlich und zerborsten in die alkoholgeschwängerte Kellerluft.
    »Iiiih, das ist ja alles Wein«, kiekste die Schütze-Appelbach, die hinter ihm die Treppe hinuntergestolpert war. »Ich mag gar keinen Wein.«
    Faßbenders Augen wussten nicht, welchen Teil des Desasters sie zuerst durchmessen und vor welcher Katastrophe sie sich als Nächstes verschließen sollten. Er wünschte sich, dass sich die bereits drängenden Tränen sofort Bahn brechen würden, aber seine
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