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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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solchen Halbgott zu erheben, fand bei ihm keinen Eingang. Er fühlte sich als Angehöriger des Olymps und deshalb sicher. Die Aufregung und Tollheit der Masse steigerte noch seinen Wahnwitz; es war an diesem Tage des Triumphes, als ob nicht nur der Cäsar und die Stadt, sondern die Welt den Verstand verloren hätte.
    Unter all den Blumen und Gewinden konnte niemand den Abgrund sehen. Denselben Abend aber noch wurden Säulen und Tempelmauern mit Inschriften bedeckt, die Neros Verbrechen schilderten, mit der herannahenden Rache drohten und ihn als Künstler verspotteten. Von Mund zu Mund lief der Satz: „Er sang, bis er die Gallos, die Hähne, aufweckte.“ Beunruhigende Nachrichten durchliefen die Stadt und verbreiteten sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Angst ergriff die Augustianer. Viele, denen die Zukunft sehr ungewiß schien, wagten weder Hoffnungen noch Wünsche zu äußern, wagten kaum zu fühlen und zu denken.
    Nero aber lebte weiterhin nur für das Theater und die Musik und prüfte verschiedene neuerfundene Instrumente. Halb kindisch geworden, unfähig zu jedem eigenen Gedanken, jeder eigenen Tat, bildete er sich ein, die Gefahr durch Versprechen von Spielen und theatralischen Vorstellungen abwenden zu können, die sich sehr in die Länge ziehen sollten. Die Personen seiner nächsten Umgebung, die sahen, daß er, statt für die nötigen Mittel und ein Heer zu sorgen, nur nach Ausdrücken suchte, um die hereingebrochene Gefahr dichterisch zu schildern, verloren den Kopf. Manche meinten, er wolle einfach sich selber und andere mit Zitaten betäuben, während er innerlich unruhig und erschreckt sei. Und wirklich hatten seine Handlungen etwas Fieberisches. Jeden Tag kreuzten tausend neue Pläne seinen Kopf. Manchmal sprang er auf, als ob er sich auf die Gefahr stürzen wolle, erteilte Befehl, seine Lauten und Zithern einzupacken, die jungen Sklavinnen und Amazonen auszurüsten und die Legionen nach dem Osten zu führen. Wiederholt trug er sich mit dem Gedanken, den Aufstand nicht durch Kampf, sondern durch Gesang zu bezwingen, und seine Seele freute sich schon des Schauspiels, das einem solchen Siege folgen müßte. Die Soldaten würden ihn tränenden Auges umringen; er sänge ihnen ein Siegeslied, dem das Goldene Zeitalter für ihn und für Rom folgen würde. Einmal forderte er Blut, ein anderes Mal erklärte er, daß er sich mit der Regierung Ägyptens begnügen wolle. Er erinnerte sich einer Weissagung, die ihm die Herrschaft über Jerusalem verheißen hatte, und war gerührt bei dem Gedanken, daß er auch als wandernder Sänger seinen Unterhalt gewinnen könnte, daß Städte und ferne Länder in ihm nicht den Cäsar, den Herrn der Erde, sondern einen Dichter ehren würden, wie die Welt bisher keinen erzeugt hatte.
    Und so kämpfte, wütete, spielte, sang er, änderte Pläne, deklamierte und löste sein Leben und die Welt in einen abgeschmackten, phantastischen, widerwärtigen Traum auf, in ein lärmendes Spiel von pathetischen Worten und schlechten Versen, von Seufzen, Tränen und Blut. Inzwischen wuchs die Wolke im Westen und wurde immer drohender. Das Maß war überschritten, die tolle Komödie näherte sich ihrem Ende.
    Als die Kunde eintraf, daß Galba und Spanien sich mit den Aufrührern verbunden hätten, geriet Nero in Zorn und Wut. Er warf Pokale gegen die Wand, stieß bei einem Fest den Tisch um und erließ Befehle, die weder Helios noch Tigellinus auszuführen sich getrauten, z. B. die in Rom wohnenden Gallier zu töten, die Stadt ein zweites Mal zu verbrennen, die wilden Tiere loszulassen, die Hauptstadt des Reiches nach Alexandrien zu verlegen; dies alles schien ihm groß, staunenswert, leicht ausführbar zu sein. Aber die Tage seiner Herrschaft waren gezählt, und selbst die Teilnehmer an seinen früheren Verbrechen betrachteten ihn jetzt als Verrückten. Der Tod des Vindex und Uneinigkeit in den aufrührerischen Lagern schienen jedoch eine für ihn günstige Wendung der Dinge herbeizuführen. Nero gab wieder neue Feste, feierte neue Triumphe, erließ neue Todesurteile, bis eines Nachts ein Bote auf schäumendem Pferde angesprengt kam mit der Nachricht, daß in der Stadt selbst die Soldaten das Zeichen der Empörung aufgepflanzt und Galba zum Cäsar ausgerufen hätten.
    Nero schlief beim Eintreffen dieses Boten. Als er erwachte, rief er umsonst nach der Nachtwache, die am Eingang seiner Gemächer stehen sollte. Der Palast war bereits von allen verlassen. Sklaven raubten in den entfernteren
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