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Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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sonst ganz von selbst einstellendes Wohlbefinden
endlich wieder zurück, und er beschloss, in das Grancaffè Quadri frühstücken zu
gehen. Er spazierte über den Ponte dell’Accademia, den Campo Sant’ Angelo und die
Calle Larga XXII Marzo auf den Markusplatz. Es war kurz nach 9.00 Uhr, und der sonst
so belebte Platz war nur von Tauben und einigen anderen Frühaufstehern bevölkert.
Auch das Grancaffè Quadri präsentierte sich ihm noch angenehm leer und nicht so
überfüllt wie sonst. Er bestellte einen Caffè latte und Tramezzini mit Prosciutto
und Mozzarella. Dann griff er zum ›Il Gazzettino‹, blätterte gelangweilt die allgemeinen
Seiten durch und stutzte schließlich bei der Titelseite des Regionalteils. Ein Bild
von Marco Canella war der Aufmacher. Seine Hände wurden feucht, und als er langsam
und mit Mühe, da er nur über rudimentäre Italienischkenntnisse verfügte, den Text
des Artikels entzifferte, wurde ihm klar, dass Marco lebte. Stark unterkühlt und
entkräftet war er ins Spital gebracht worden. Marco wurde vom ›Il Gazzettino‹ als
einziger Überlebender des ›Venedig-Rippers‹ gefeiert. Das durfte doch nicht wahr
sein! Wieso hatte ›The Sculptor‹ Marco am Leben gelassen? Wofür hatte er ihm die
letzte Million Dollar überwiesen? Selbstverständlich auch dafür, dass Marcos Körper
ebenfalls als Opfer für sein Kunstwerk dargebracht werden sollte. Zitternd ließ
er die Zeitung sinken und starrte eine Zeit lang ins Leere. Sein Gehirn begann auf
Hochtouren zu arbeiten. Und je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurde
ihm, dass sein Werk doch noch nicht vollendet war. So lange Marco lebte, war das
Blutopfer, das untrennbarer Teil seines künstlerischen Konzeptes war, nicht vollbracht.
Solange Marco Canella unter den Lebenden weilte, war seine ›Quadriga‹ nicht vollendet.
Er bestellte sich noch einen Caffè latte, und während er das heiße Getränk langsam
schlürfte, dachte er fieberhaft darüber nach, was zu tun sei. Zum Glück war im ›Il
Gazzettino‹ der behandelnde Arzt sowie dessen Arbeitsstätte, das Ospedale San Giovanni
e Paolo, erwähnt worden. Nach über einer Stunde des Grübelns und Überlegens trank
er aus, zahlte und ging. Als Erstes kaufte er einen Korb voll Schokolade und Süßigkeiten.
Dann schaute er bei einem Haushaltsgerätegeschäft vorbei und besorgte sich ein scharfes
Fleischermesser. Das verbarg er sorgfältig unter all den süßen Dingen, die er zuvor
erstanden hatte. Nun machte er sich auf in Richtung Spital. In seiner maßlosen Erregung
und Nervosität genoss er es, zu Fuß zu gehen. Beim Portier des Ospedale San Giovanni
e Paolo erkundigte er sich nach dem Zimmer von Marco Canella. Als er hörte, dass
es im zweiten Stock lag, lächelte er. Damit hatte er eine zweite Option: Er konnte
Marco auch aus dem Fenster stürzen. Schnaufend stapfte er hinauf, und nach kurzem
Herumirren auf dem langen Gang stand er schließlich vor der Zimmernummer, die ihm
der Portier gesagt hatte. Er klopfte, und dann hört er Marcos Stimme, die leise
»Avanti!« rief. Er drückte die Türklinke hinunter, atmete tief durch und trat mit
einem breiten Lächeln ins Zimmer ein. Als Marco ihn erblickte, breitete sich ein
strahlendes Lachen auf seinem Gesicht aus. Er begrüßte den Eintretenden mit einem
fröhlichen:
    »Buon
giorno, Signor Crumb …«

Vierundsechzig
     
    Lupino war ziemlich frustriert.
Nachdem er die Touristengruppe durch das Viertel rund um San Marco geführt hatte,
wartete er vergeblich darauf, dass sich Ranieri bei ihm meldete. Die österreichische
Touristengruppe war übrigens ziemlich enttäuscht gewesen, weil sich das Acqua alta
so rasch und unspektakulär zurückgezogen hatte. Bis auf ein paar größere Lachen
und ein generell nasses Pflaster war von dem morgendlichen Hochwasser nicht mehr
viel zu sehen. Entsprechend frustriert war die hochwassergeile Gruppe. Es kam bei
der gesamten Führung keine sonderlich gute Stimmung auf, und logischerweise war
das Trinkgeld lausig. Lupino war das egal. Seine Gedanken kreisten ausschließlich
um die mysteriöse Teakholzkiste, die plötzlich aus dem Rahmenmachergeschäft verschwunden
war. Deshalb lenkte er seine Schritte zur Questura, wo er nach Ranieri und Viti
fragte. Er bekam vom Polizisten in der Portiersloge die Auskunft, dass beide derzeit
außer Haus unterwegs seien. Enttäuscht versuchte er Ranieri auf dessen Handy zu
erreichen, doch der hob nicht ab. Lupino machte sich auf den Weg zur Osteria da
Marcello.
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