Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen
Autoren: Heinrich Mann
Vom Netzwerk:
gedacht, die ich, und hoffentlich nicht mit Unrecht, auf das höchste habe preisen hören.«
    »Ach nee.«
    »Nämlich an das Fräulein Rosa Fröhlich.«
    »Wie bitte?«
    »Rosa Fröhlich«, und Unrat hielt die Luft an.
    »Fröhlich? Haben wir ja gar nicht.«
    »Wissen Sie das auch ganz genau?« fragte Unrat, kopflos.
    »Erlauben Sie, ich bin ja nicht meschugge.«
    Unrat wagte den Mann nicht mehr anzusehn.
    »Dann kann ich mir das aber gar nicht …«
    Jener kam ihm zu Hilfe: »Da muß wohl sicher ’ne Verwechslung vorliegen.«
    »Ach ja«, sagte Unrat, kindlich dankbar. »Entschuldigen Sie nur.«
    Und er dienerte, während er sich zurückzog.
    Der Kassierer war verblüfft. Schließlich rief er hinterher: »Aber Herr Professor, über den Fall läßt sich ja trotzdem reden. Wieviel Billette würden Sie denn nehmen? Herr Pro –«
    Unrat drehte sich unter der Tür noch einmal um, sein Lächeln war verzerrt vor Angst vor dem Verfolger.
    »Entschuldigen Sie doch nur.«
    Und er war geflüchtet.
     
    Ohne es zu merken, kam er die Straße hinunter und an den Hafen. Um ihn her waren stampfende Tritte von Männern, die Säcke trugen, und breite Rufe von andern, die sie zu Giebelluken hinaufwanden. Es roch nach Fischen, Teer, Öl, Spiritus. Die Masten und Schlote dahinter im Fluß verwickelten sich schon in der Dämmerung. Inmitten der Betriebsamkeit, die vor Dunkelwerden noch aufflackerte, ging Unrat dahin mit seinem bohrenden Gedanken: Lohmann »fassen«, den Aufenthalt der Künstlerin Fröhlich nachweisen.
    Er ward angestoßen von Herren in englischen Anzügen, die mit Frachtbriefen umherliefen, und von Arbeitern, die ihm »Achtung!« zubrüllten. Die allgemeine Hast ergriff ihn; er drückte, ehe er’s sich versah, den Griff einer Tür, über der »Heuerbaas« und irgendeine schwedische oder dänische Inschrift stand. Im Laden lagen gerollte Taue, Schiffszwieback, kleine, scharf riechende Fässer. Ein Papagei schrie: »Dun supen!« Mehrere Matrosen tranken, andere redeten, die Hände in den Hosen, auf einen riesigen, rotbärtigen Mann ein. Der machte sich, es dauerte eine Weile, aus den Tabakswolken des Hintergrundes los, stellte sich hinter den Ladentisch, so daß der blecherne Reflektor der Wandlaterne seinen Kahlkopf heftig beleuchtete, stemmte die Tatzen auf die Kante und sagte plump: »Wollen Sie was von mich, Herr?«
    »Geben Sie mir«, verlangte Unrat leichthin, »eine Eintrittskarte für das Sommertheater.«
    »
Wat
sagen Sie?« fragte der Mann.
    »Nun ja, für das Sommertheater. Da Sie denn nun einmal in Ihrem Schaufenster anzeigen, daß Sie Billette zum Sommertheater verkaufen.«
    »Wat soll ich doorvon denken, Herr«, und der Mann behielt den Mund offen. »Das Sommertheater speelt doch nich in ’n Winter.«
    Unrat versteifte sich auf sein Recht.
    »Aber Sie haben es im Fenster, Mann.«
    »Door kann ’t jä ook bliewen!«
    Das war herausgeplatzt; aber der Heuerbaas nahm seine Achtung vor dem bebrillten Herrn gleich wieder zusammen. Er suchte nach Gründen, die den Fremden überzeugen konnten, das Sommertheater sei jetzt geschlossen. Um seiner behutsamen Gedankenarbeit körperlich nachzuhelfen, gab er mit seiner fürchterlichen, rotbehaarten Hand der Tischplatte von der Seite ganz vorsichtige Streiche. Schließlich hatte er gefunden.
    »Das weiß jä woll de dümmste Schooljong«, sagte er gutmütig, »daß in ’n Winter kein Sommertheater is.«
    »Erlauben Sie, Verehrter«, machte Unrat, überlegen abwehrend.
    Der Mann rief zu Hilfe: »Hinnerich! Laurenz!«
    Die Matrosen kamen näher.
    »Ich weit nich, wat mit em los is, hei will mit alle Macht in ’n Willemsgoorten.«
    Die Matrosen rollten Kautabak in den Mündern. Sie und der Heuerbaas starrten angestrengt auf Unrat, als sei er ein sehr weit Hergekommener, etwas wie ein Chinese, den man nun verstehen sollte. Unrat empfand dies; es befiel ihn Hast, hier fertig zu werden.
    »Dann könnten Sie mir wenigstens sagen, Mann, ob vorigen Sommer in dem bewußten Theater ein gewisses Fräulein Fröhlich mitgespielt hat – Rosa Fröhlich.«
    »Wo soll ich das woll herwissen, Herr?« Der Mann war vollkommen verblüfft. »Meinen Sie, Herr, ick gew mich mit die Zirkusminscher aff?«
    »Oder doch«, sagte Unrat Hals über Kopf, »ob die erwähnte Dame im kommenden Jahr uns – immer mal wieder – durch ihre Leistungen erfreuen wird.«
    Der Heuerbaas sah erschreckt aus; er verstand kein Wort mehr. Einer der Matrosen hatte etwas gefunden.
    »Hei makt sick ’n Jux,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher