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Philosophenportal

Titel: Philosophenportal
Autoren: R Zimmer
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Seher noch nicht streng voneinander
     getrennt. Dies gilt auch für Platons Philosophenkönige. Sie stellen einerseits die »akademisch« am besten ausgebildete Elite,
     haben aber andererseits, wie Priester, als Einzige direkten Zugang zu einer transzendenten Welt.
    Diese religiöse Dimension des platonischen Staates wird durch das Ende des Buchs bestätigt. Hier kehrt Platon nämlich noch
     einmal zu dem Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit und der menschlichen Seele zurück. Auch wenn Gerechtigkeit nicht durch Eigennutz
     definiert werden darf, so gibt es doch so etwas wie einen »Lohn« gerechten Handelns im Jenseits. Schon in seinem Dialog
Phaidon
hatte Platon die These von der Unsterblichkeit der Seele vertreten. Nun fügt er, in der Tradition der Pythagoreer, die Lehre
     von der Seelenwanderung |22| hinzu, die er in einer mythenhaften Erzählung an den Schluss seines Buchs setzt.
    Die Seele durchwandert nach dem Tod die Sphäre des Himmels und büßt dort für ihre Vergehen. Danach wird ihr Gelegenheit gegeben,
     eine neue Lebensform, sei es als Tier oder als Mensch, zu »wählen«. Platon wollte offenbar bekräftigen, dass das gerechte
     Leben in Verbindung mit einer Weltordnung steht, über die wir nicht mehr mit rationaler Argumentation, sondern nur noch mit
     Hilfe des Mythos sprechen können.
     
    Im 20.   Jahrhundert hat ein anderer großer politischer Philosoph, Karl R.   Popper, Platons Idealstaat als totalitär kritisiert. Begriffe wie »Gerechtigkeit« oder »Idee des Guten« sollten in der Tat
     nicht den Blick davor verschließen, dass dies ein von wenigen Auserwählten gelenkter Staat ist, in dem Zensur herrscht und
     der Zugang zur Bildung nur wenigen Privilegierten gestattet ist. Platon ist mit seinem elitären Konservatismus auch keineswegs
     repräsentativ für sein Zeitalter. Von dem vierzig Jahre älteren Philosophen Demokrit ist zum Beispiel die Aussage überliefert,
     dass »die Armut in einer Demokratie um so viel besser ist als das so genannte ›Glück‹ am Hofe der Mächtigen, wie die Freiheit
     besser ist als ein Sklavendasein«. Die politischen Meinungen gingen auch im alten Griechenland weit auseinander.
    Dennoch war selbst ein so entschiedener Kritiker Platons wie Popper fasziniert von dem »Zauber«, der von diesem kunstvoll
     konstruierten Entwurf einer in sich geschlossenen Gesellschaft ausgeht. Platons ungeheure Wirkung in der europäischen Geistesgeschichte
     beruht genau auf dieser visionären Kraft.
Der Staat
hat das gesamte utopische Denken der europäischen Philosophie maßgeblich inspiriert. Dabei spielte auch immer wieder die Vorstellung
     einer weisen und zugleich asketisch lebenden Machtelite eine Rolle.
    In der Renaissance wurde das Werk zum Vorbild zahlreicher Staatsutopien. Aber auch das von den Marxisten des 19. und 20.   Jahrhunderts formulierte Ziel einer klassenlosen Gesellschaft trägt den utopischen Keim in sich, den Platon gepflanzt hat.
     Platon hat die |23| Herausforderung angenommen, die verlangt, dass Gerechtigkeit nicht nur ein Wort oder eine Forderung sein darf, sondern auch
     mit der konkreten Vorstellung eines Gesellschaftsmodells verbunden sein muss. Er hat damit nicht nur die Fantasien der politischen
     Philosophen bis heute angeregt, er hat auch an den tief verwurzelten Traum der Menschen vom politischen Schlaraffenland gerührt.
     
    Ausgaben:
    PLATON: Sämtliche Werke, Band   3: Phaidon, Politeia. Übersetzt von F.   Schleiermacher. Herausgegeben von W.   F.   Otto, E.   Grassi und G.   Plamböck. Hamburg: Rowohlt 1958.
    PLATON: Der Staat. Übersetzt von R.   Rufener. München: dtv 1998.

|24| Bekehrung eines Intellektuellen
    AURELIUS AUGUSTINUS: Bekenntnisse (ca. 400)
    Intellektuelle tun sich normalerweise schwer mit dem Ansinnen, sich einfach auf einen religiösen Glauben einzulassen. Sie
     sind es gewohnt, ihren Wissenshintergrund einzubringen und nach dem Warum zu fragen. Sie haben einen unstillbaren Drang nach
     rationaler Erklärung – während die Verfechter der Religion gerade darauf hinweisen, dass eine Religion eigentlich überflüssig
     wäre, wenn der Mensch alles auf rationale Art erklären könnte.
    Noch komplizierter wird der Fall, wenn ein erfolgreicher und hochgebildeter Akademiker sich auf eine noch junge Religion einlässt,
     die von seinen Kollegen mit Naserümpfen betrachtet wird und deren Anhänger eher für ihren Rigorismus und ihre Verachtung der
     Philosophie bekannt sind. Eine solche Begegnung ist
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