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Philosophenportal

Titel: Philosophenportal
Autoren: R Zimmer
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gefährden. Die im antiken Griechenland so populären Epen des Homer mit ihren Schilderungen
     von Verrat, Grausamkeiten oder Festgelagen haben in Platons Staat keine Chance, die Zensur zu passieren. In der Musik beschränkt
     sich das Erlaubte auf »phrygische« und »dorische« Tonarten, welche die Tapferkeit und Besonnenheit stärken.
    Während Platon die Rolle der Künste abwertet, hat er eine hohe Meinung von der Mathematik, die er wie die Pythagoreer als
     eine Brücke zur Philosophie ansieht. Mathematik gehört aber nicht zum Pflichtprogramm, sondern wird nur für Freiwillige angeboten.
     Mit ihr beginnt eine spezielle geistige Ausbildung, die schließlich die Regenten von den Wächtern scheidet. Die wenigen künftigen
     Regenten werden ab dem dreißigsten Lebensjahr fünf Jahre |20| lang in Philosophie unterrichtet und müssen danach noch fünfzehn Jahre lang in untergeordneten Staatsämtern dienen. Erst im
     Alter von fünfzig Jahren werden die Besten von ihnen dazu ausersehen, die höchste Form philosophischer Erkenntnis, die »Idee
     des Guten«, zu schauen. Dann haben sie den Status des Weisen und damit des Philosophenkönigs erlangt und müssen ihr Leben
     teilen zwischen der praktischen Regierungstätigkeit und der philosophischen Kontemplation.
    Mit der »Idee des Guten« kommt Platons Ideenlehre, seine Theorie der Wirklichkeit, ins Spiel. Sie erklärt auch, was Platon
     mit Weisheit und Vernunfterkenntnis meint. Platon erläutert seine Ideenlehre in dem berühmten Höhlengleichnis, einem Herzstück
     des
Staats,
in dem er die Verbindung zwischen seinen politischen sowie seinen metaphysischen und religiösen Vorstellungen herstellt.
    Wie Gefangene leben die Menschen in einer Höhle, in die Schatten von Gegenständen geworfen werden, die sich im Rücken der
     Menschen hinter einer Mauer bewegen. Diese Schattenbilder werden von den Menschen für die Wirklichkeit gehalten. Man stelle
     sich nun vor, ein Gefangener befreite sich aus der Höhle, träte ins Tageslicht und erblickte mit der Sonne die wahre Wirklichkeit,
     kehrte dann aber wieder in die Höhle zurück und berichtete den Mitgefangenen davon. Sie würden ihm wahrscheinlich zunächst
     nicht glauben, weil er, von der Erfahrung der Sonne geblendet, nun auch die Schatten an der Wand undeutlicher sieht als vorher.
    Die Höhle ist die Welt unserer normalen sinnlichen Wahrnehmung, deren Gefangene wir sind. Der die Höhle verlassende Gefangene
     ist der Philosoph. Er ist derjenige, der den Menschen Kunde von der wahren Wirklichkeit gibt. Diese wahre Wirklichkeit außerhalb
     der Höhle ist die Welt der Ideen. Alles, was wir wahrnehmen, hat demnach in der Welt der Ideen ein ideales Muster. Für die
     vielen Tische, die wir wahrnehmen, gibt es eine Idee des Tisches, ebenso wie auch für alle anderen wahrgenommenen Dinge eine
     Idee existiert. Der griechische Begriff für »Idee«, »eidos«, heißt eigentlich »ideale Form«. Auch die Ideen befinden sich
     in einer abgestuften hierarchischen Ordnung. An ihrer Spitze steht die Idee des Guten, |21| das höchste Prinzip der Wirklichkeit, aber auch der Maßstab für Vernunft und tugendhaftes Handeln.
    Für Platon gibt es vier Stufen der Wirklichkeitserkenntnis: Die niedrigste wird repräsentiert durch die Kunst, die ein Abbild
     sinnlich wahrnehmbarer Dinge liefert. Danach kommt die sinnliche Wahrnehmung, die selbst wiederum nur ein Abbild der Welt
     der Ideen ist. Als Brücke zu den Ideen sieht Platon die reine Anschauung mathematischer Strukturen. Aber erst die Erkenntnis
     der Ideen ist Ausweis der Weisheit und der wahren Vernunfterkenntnis. Mit dieser Stufenfolge wird schließlich auch der niedrige
     Rang der Kunst in Platons Staat begründet. Indem sie Abbilder von Abbildern liefert, ist die Kunst eine drittklassige und
     irreführende Erkenntnis und in jeder Weise geeignet, von der wahren Wirklichkeit abzulenken.
    Die Welt der Ideen ist, im Gegensatz zur sinnlichen Welt, ewig und keinen Veränderungen unterworfen. In ihrer unverrückbaren
     Stabilität wird sie zum Vorbild für die Ordnung des Staates. Indem die Erkenntnis der Ideen den Regenten des platonischen
     Staats zugewiesen wird, erhalten sie das entscheidende Herrschaftswissen, das zur Begründung ihrer politischen Stellung dient.
     Diese Erkenntnis darf man sich aber nicht als einen rein intellektuellen Akt vorstellen. Sie ist vielmehr eine Art Vision,
     ein Akt der Erleuchtung. Im antiken Griechenland waren der Philosoph und der religiöse
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