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Philosophenportal

Titel: Philosophenportal
Autoren: R Zimmer
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einer Gesellschaft entwerfen, in der die Grenzen zwischen Herrschern und Beherrschten
     wieder klar gezogen waren, in der die Machtstellung der Herrschenden aber durch unverrückbare Prinzipien und nicht durch die
     Tradition begründet wurde. Es sollte ein Gemeinwesen sein, das von einer Elite regiert wird, die diesen Namen verdient und
     nicht – wie Dionysios oder die Dreißig Tyrannen von Athen – ihre Macht tyrannisch missbraucht.
Der Staat
wurde geschrieben als mächtiger philosophischer Schutzwall gegen die Herausforderung der sophistischen Aufklärung. Nun spricht
     Platon in eigener Sache. Sokrates wird zu seiner Sprechpuppe, zum Verkünder platonischer Lehrmeinungen.
    |16| Dabei baut Platon auf dem bereits vorhandenen Dialog zwischen Sokrates und Thrasymachos über die Gerechtigkeit auf, der an
     den Anfang des neuen Werks gesetzt wurde und als dessen Einleitung gelesen werden kann. Für Thrasymachos ist das, was durch
     Gesetze als gerecht festgelegt ist, in Wahrheit identisch mit dem, was den politisch Herrschenden nützt. Andererseits glaubt
     er, dass das, was normalerweise Ungerechtigkeit genannt wird, in Wahrheit oft als Weisheit und Tugend angesehen werden muss,
     weil es den eigenen Interessen dient. Thrasymachos vertritt also eine typisch sophistische Position: Normen und Werte gelten
     nicht von Ewigkeit her, sondern sie sind veränderbar und von Interessen und Konventionen abhängig.
    Sokrates dagegen glaubt, dass Gerechtigkeit eine Kunst oder eine Fertigkeit ist, die wie die ärztliche Kunst nach bestimmten
     unveränderbaren Regeln und auch im Sinne der Patienten, das heißt der Bürger, ausgeübt wird. Als Tugend des einzelnen Menschen
     ist sie so etwas wie die Gesundheit der Seele, das heißt, die psychischen und geistigen Kräfte des Menschen müssen sich in
     einer bestimmten Ordnung befinden.
    Diese Auffassung ist der Ausgangspunkt für Platons weitere Diskussionen im
Staat
: Gerechtigkeit ist für ihn eine Art feststehender Ordnung. Sie ist eine Grundtugend, die Tugend nämlich, die alle Ziele und
     Bedürfnisse, aber auch alle anderen Tugenden des Menschen in ein bestimmtes Verhältnis zueinander setzt.
Der Staat
ist der Versuch, diese Ordnung und dieses Verhältnis in Form eines Gesellschaftsmodells zu beschreiben.
    Im zweiten Buch des
Staates
überträgt Platon den Gedanken der Gerechtigkeit als einer Ordnung der menschlichen Seele auf die Gesellschaft. In der gesellschaftlichen
     Ordnung lässt sich nach Platon die Ordnung der Seele wie in einem Vergrößerungsglas erkennen. Er orientiert sich dabei an
     der Ordnung einer griechischen »Polis«. Entsprechend lautet der Titel seines Werks
Politeia
, also wörtlich: die »Lehre von der ›Polis‹«. Die »Polis« war kein Staat im modernen Sinne, sondern ein Stadtstaat, vergleichbar
     etwa der Größe eines Schweizer Kantons. Deshalb erscheint »Polis« in deutschen Übersetzungen |17| manchmal als »Staat« und ein anderes Mal als »Stadt«. In der »Polis« hatten nur so genannte »freie« Bürger Stimmrecht, zu
     denen weder Frauen noch Sklaven zählten. Sklaverei war für Platon noch eine ganz normale und unbestrittene Institution. Die
     Stellung der Frauen dagegen wertet er in seinem Idealstaat erheblich auf, da sie wie die Männer Zugang zur herrschenden Schicht
     erhalten.
    Platon erläutert nun etwas genauer, was er unter der Gerechtigkeit als einer Gesundheit der Seele versteht. Die Seele, griechisch
     »psyche«, ist für ihn der Bereich aller geistigen und gefühlsmäßigen Kräfte. In ihr unterscheidet er drei verschiedene Vermögen:
     die Vernunft, den Willen und die Leidenschaften. Ihnen sind drei Tugenden zugeordnet, nämlich Weisheit, Tapferkeit und Besonnenheit.
     Der Mensch ist nach Platon vornehmlich ein Vernunftwesen, das heißt, der Vernunft muss Vorrang vor den anderen Vermögen gegeben
     werden. Die gerechte Ordnung der Seele ist dann hergestellt, wenn die Vernunft mit Hilfe des Willens die Leidenschaften beherrscht.
    In ein politisches Bild gebracht, heißt dies: Die Vernunft ist der Herrscher, der Wille stellt das Dienst- und Wachpersonal
     und die Leidenschaften sind das beherrschte Volk. Genau dieses Bild einer Hierarchie, an deren Spitze die Vernunft steht,
     bestimmt Platons Vorstellung vom idealen Staat. Der Schlüssel zu seiner Gerechtigkeitsvorstellung liegt in dieser Grundidee,
     dass die Vernunft der natürliche Herrscher sei – sowohl im einzelnen Menschen als auch im Staat. Gerechtigkeit,
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