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Pferdekuss

Pferdekuss

Titel: Pferdekuss
Autoren: Christine Lehmann
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Eier zu rammen.
    »Lisa kennt sich aus mit Pferden«, sagte Siglinde. »Sie war die Frau von meinem Bruder.«
    »Aber jetzt gehören Sie wohl mehr zu den passiven Reitern«, sagte er mit Blick auf meine Beinmuskulatur, »Verzeihung, Reiterinnen, eh.«
    Siglinde lachte. Wie hatte ich mich nur dazu verführen lassen können, wieder einen Stall zu betreten, dieses Zuchthaus von Schadenfreude und Prahlerei? Die spe ckigen Burschen wie Hajo verdankten ihr Ansehen als Mann lediglich dem physischen Geschick, ein Pferd so zu vergewaltigen, dass es nichts Schöneres kennt, als seinem Reiter zu Willen zu sein. So ein Kerl holte sich jeden Abend einen runter in dem Bewusstsein, dass es keinen gab wie ihn, keinen, der wie er jedes Pferd zu nehmen wusste, mit Schlauheit, mit Tricks und mit Kraft. Wenn die Stute zwischen seinen Knien kirre wurde, dann schmolzen auch die Weiberherzen, so wie Siglindes. Doch war Siglindes Schmelzen eine komplizierte Angelegenheit, wie ich sah. Sie wollte ihn, aber nicht die Herrschaft verlieren.
    »Hast du dir Hannibal angesehen?«, sagte sie, als Hajo an die Box von Palas trat und der Hengst ihn mit Kopfstoß vor die Brust begrüßte.
    »Hannibal ist in Ordnung.«
    »Aber er schwitzt stark«, widersprach Siglinde mit ei nem schrillen Oberton.
    »Es ist warm.«
    »Nicht, dass er dir krepiert wie dein Arabal.«
    In Hajos Augenwinkel blitzte Gift. Siglinde freute sich, dass sie ihn getroffen hatte. Er zeigte uns die Schul ter und inszenierte Männersolidarität mit dem Hengst, der mit verspielter Miene nach der Hand seines Herrn zwick te. Als der Zuchtwart nach dem Deckhalfter am Haken ne ben der Box griff, wölbte der Hauptbeschäler den Mähnenkamm, suchte mit geweiteten Nüstern Fernwitterung und stieß unvermittelt das helle gellende Hengstwiehern aus.
    »Ja, Palas«, gurrte der Mann, »ja, jetzt geht’s zur Stute.«
    Siglindes Miene verfärbte sich trotzig. »Willst du gleich? Willst du die Stute nicht erst mal in den Stall bringen, damit sie sich eingewöhnt?«
    »Wozu? Sie ist bereit.«
    Palas sandte erneut seinen markschneidenden Kontaktschrei aus und drängelte Hajo, der die Boxentür geöffnet hatte, in die Arme. Tänzelnd ließ er sich das Halfter überstreifen und piaffierte in den Stallgang. Den ganzen Weg an der Seite des Zuchtwarts zeigte der Hengst hohe Schule, hob die Beine, wölbte den Hals, schlug mit dem Schweif und stieß erregte Schnorrlaute aus. Siglindes schwarze Augen schwankten zwischen Bewunderung, die man einem Araberhengst niemals versagen kann, und Unwillen über den Aufwand an Männlichkeit. Der Trab ist ja ursprünglich nichts anderes als die Gangart, um zu imponieren. Die Sonne spritzte Silber in Palas’ Schimmelweiß. Sein Leib schwang, vibrierte, entfaltete versammelte Kraft.
    Dabei hatte die Stute, die aus dem Hänger geholt und außen am Probierstand angebunden war, gar keine Wahl, als ihren Beschäler anzunehmen. Sie war grauschimmelig, jung und schön, fast übertrieben dekadent mit ihrem mächtigen, vom schlanken Rumpf abgesetzten Hinterteil und dem sehr konkaven Nasenbein des von uns so geschätzten Arabertyps. Palas tanzte, schnaubte und stieß ein Imponierwiehern aus, das Gesicht mit hochgewölbtem Mundwinkel auf urviehhafte Begrüßungsartigkeiten eingestellt, nur dass sich beim Araber bei solcher Mimik der Hengsteckzahn nicht zeigt, weil seine Nüsternpartie zu lang ist.
    Die Stute war beeindruckt. Herr Epple nicht weniger. Er stemmte die Hände in die Hüften, und sie stemmte die Vorderbeine nach vorn und die Hinterbeine nach hinten und stand da wie ein Sägebock, Schwanz und Kopf erhoben, die Antilopenohren rückwärts gerichtet. Ein Bild der Bereitschaft.
    »Sie blitzt, sie blitzt!«, jubelte Herr Epple. »Sehen Sie, sie blitzt.« Er konnte sich nicht mehr einkriegen über die deutlichen Signale organischer Bereitschaft. »Soll ich Fatimah jetzt in den Probierstand führen? Sollen wir sie nicht besser einspannen, falls sie ausschlägt? Sie ist Maidstute. Es ist das erste Mal, dass ich … dass sie …«
    »Was wollen Sie denn da noch probieren?«, fragte Ha jo trocken neben dem heißen Hengst. Für den sogenannten Sprung aus der Hand, bei dem der Hengst die Tage der Vorrosse nicht nutzen konnte, um sich der Stute vertraut zu machen, führte man Stuten oft hinter eine Bretterwand in den Probierstand, damit sie in der Beschnüffelungsphase nicht etwa nach dem kostbaren Beschäler ausschlagen konnte. Aber Hajo und Palas verstanden ihr Geschäft. Palas
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