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Pastworld

Pastworld

Titel: Pastworld
Autoren: Ian Beck
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aus wie ein Gaffer – spielst du eine Einheimische, eine Bewohnerin?«
    »Ich lebe schon mein ganzes Leben lang hier«, sagte ich verwirrt. Was bedeutete das: eine Einheimische spielen?
    »Eine Einheimische also, nur ein bisschen aus dem Rhythmus«, sagte er lächelnd.
    Während wir weiterrumpelten, saß ich allein im hinteren Teil des Wagens. Als wir schließlich anhielten, war es bereits dunkel. Mir stieg ein seltsam salziger Geruch in die Nase, als ich müde aus dem Wagen kletterte. Es musste wohl von der Themse kommen. Das Pferd wurde abgeschirrt und stand kauend vor seinem Futtersack. Wir hatten unter ein paar Bäumen gehalten, die offenbar auf einem Parkgelände standen. Ein bis zwei schlichte Zelte und ein paar weitere Wagen waren unter den breiten Ästen abgestellt. Ein kleines Feuer qualmte mehr, als dass es brannte, ein Topf hing darüber, aus dem es nach Essen roch, und da merkte ich erst, wie hungrig ich war.
    Jago saß auf der Vordertreppe des Wagens. Er schien nur wenig älter zu sein als ich und streichelte die Taube, die neben seiner kupferfarbenen Haut strahlend weiß aussah. Er sah zu mir hinüber und lächelte mich an. Einer der anderen Harlekine stand in der Nähe des Feuers und balancierte einen Löffel auf der Nase. Er stieß den Kopf hoch, der Löffel drehte sich in der Luft einmal um sich selbst und landete sicher wieder auf seiner Nase. Er streckte den Arm aus, ließ den Löffel in seine Hand fallen und hielt ihn mir hin.
    »Nimm dir was zu essen«, sagte er und zwinkerte mir zu. Unsicher nahm ich den Löffel, als würde ich halb erwarten, dass er mir aus der Hand springen könnte, um wieder auf der Nase des Harlekins zu landen.
    Jago lächelte, beugte sich mit der Taube, die jetzt zufrieden auf seiner Schulter hockte, nach vorn, häufte etwas aus dem Topf auf einen Teller und reichte ihn mir. Es war eine Art würziger Eintopf mit gelbem Reis und roch wunderbar. In der Mitte lagen blasse Fleischstückchen, die sich als Hühnchen herausstellten. Ich schlang das Essen gierig hinunter. Es brannte auf meiner Zunge, so scharf war es gewürzt. Dann hielt Jago mir einen Becher Tee hin und ich wollte gerade davon trinken, als er es sich anders überlegte, den Becher wieder an sich nahm und den Tee auf das Feuer goss, sodass es zischte. Dann füllte er den Becher von Neuem, diesmal aus einer dunklen Flasche.
    »Versuch lieber das hier«, sagte er.
    »Hm, das schmeckt bitter«, sagte ich. »Und sauer.«
    »Es ist nur Bier, schlichtes altmodisches englisches Ale.«
    Ich nahm noch einen Schluck. Bier hatte ich noch nie getrunken. Ich setzte mich neben das leise qualmende Feuer. Jago nahm mir den Becher Bier aus der Hand und trank den Rest selbst.
    »Ich bin Jago«, sagte er und wischte sich mit der Hand über den Mund.
    Ich nickte. »Das dachte ich mir. Ich heiße Eve.« Einen Moment lang nahm ich seine Hand in meine. Ich hatte noch nie eine so dunkle Haut gesehen oder berührt.
    Ein Passagierluftschiff flog so tief über die Bäume, dass die Gondel fast die Wipfel gestreift hätte. Der Wind von den Luftschrauben brachte das Laub zum Rauschen. Die Lichter fielen auf die Zelte, die zwischen den Bäumen aufgebaut waren.
    »Ein wunderschöner Name für ein wunderschönes Mädchen«, sagte Jago. »Es gibt sie immer noch«, fügte er hinzu, als er dem Luftschiff nachsah, das über uns hinwegflog. Ein Grinsen erschien auf seinem schmalen Gesicht und ich sah seine geraden weißen Zähne. »Ich frage mich, warum du mir geschickt wurdest, Eve.«
    »Ich bin weggelaufen, um in deinem Zirkus mitzumachen«, sagte ich.

3
     
    KONTROLLRAUM 1,
    BUCKLAND CORP. COMMS CENTRE, 6:40 UHR
     
    Sergeant Charles Catchpole trank einen starken Kaffee, den ersten an diesem Tag, und betrachtete die Aufnahme von Pastworld auf dem Comms Monitor. Die Morgendämmerung brach über die schemenhafte Stadt herein, ein Anblick, der ihn immer wieder berührte. Im künstlichen Nebel erschien das Licht der gelben Gaslaternen weich und milchig. Die durch den Dunst kaum zu erkennenden Lastkähne und der Dampf aus den Gaswerken ergaben zusammen ein zartes Bild, ein Gemälde, das einem J. M. Whistler würdig gewesen wäre. Catchpoles verträumte Stimmung wurde jäh unterbrochen, als ein Alarmlämpchen aufleuchtete, das Licht anfing zu flackern und Bewegung auf den Monitoren der Workstation zu sehen war.
    Er stellte seinen Styroporbecher auf der Arbeitsplatte ab und stülpte vorsichtig den Deckel darüber. Er holte das Bild näher heran,
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