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Passwort: Henrietta

Passwort: Henrietta

Titel: Passwort: Henrietta
Autoren: Ava McCarthy
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Rasen. Ein paar Meter vor ihr lag Jude mit dem Gesicht nach unten im Gras. Alles in ihr zog sich zusammen. Der Hubschrauber stand in der Mitte der Lichtung in Flammen. Eine Blutspur zog sich von dort zu Jude. Neben dem Helikopter ragte eine riesige, über drei Meter große Statue auf; ein gigantischer schwarzer Gladiator. Stolz und aufrecht stand er da mit breiten, starken Schultern und einem Speer, den er in der Hand hielt. Der Kopf auf dem stämmigen Hals allerdings war der einer hässlichen Missgeburt. Es war der Kopf eines wütenden Stiers.
    Harry schloss die Augen. Dillons Minotaurus. Sie war in die Mitte seines verdammten Labyrinths gelaufen.
    »Es ist aus, Harry, gib auf.«
    Dillon trat rechts von ihr durch eine Öffnung auf die Lichtung. Er hatte noch immer seine Waffe in der Hand. Hinter ihr raschelte etwas. Sie fuhr herum. Am Eingang erschien Cameron, in der einen Hand die Benzinflasche, in der anderen ihren schwarzen Koffer. Harry wich zurück, vorbei an Judes reglosem Körper. Cameron folgte ihr mit seinen blassen Augen. Dillon blieb parallel zu ihnen und ließ sie beide nicht aus den Augen.
    Harry spürte die sengende Hitze der Flammen. Der Hubschrauber war nur wenige Meter entfernt. Der Benzingeruch, der von ihr ausging, war stärker als zuvor. Noch ein paar Schritte zum Helikopter, und sie würde sich wie ein Zündholz entfachen. Sie stolperte nach hinten gegen das Podest des Minotaurus. Die massive Steinplatte kühlte ihren Rücken. Cameron kam näher. Sie spürte seinen heißen Atem im Gesicht. Er stellte den Koffer ab und begann, die Benzinflasche aufzuschrauben.
    »Cameron!« Dillon trat einen Schritt vor. »Nicht mit dem Scheißgeld. Wirf mir den Koffer rüber.«
    Aber Cameron war wie in Trance. Er öffnete den Mund, sein Atem wurde flacher. Harry riss die Augen auf, als er in seine Hosentasche griff und ein Feuerzeug herauszog.
    »Cameron!« Dillon richtete die Waffe auf ihn. »Hör mir zu!«
    Mit dem Daumen entfachte Cameron das Feuerzeug. Eine zehn Zentimeter lange Flamme schoss heraus. Er hielt sie Harry vors Gesicht. Sie zuckte zurück und wich um das Podest herum aus. Sie sah Jude, der sich rührte und auf den Knien aufrichtete. Sein Hemd war blutgetränkt, sein linker Arm hing seltsam zur Seite. Dillon fuhr herum und richtete die Waffe auf ihn. »Bleib auf dem Boden!«
    Jude riss den Kopf hoch und erstarrte. Seine verbrannte Haut war von Bläschen überzogen. Cameron sah kurz über die Schulter zu ihm. Im gleichen Augenblick schnappte sich Harry den Koffer und drückte ihn sich an die Brust.
    Doch Cameron schien es gar nicht zu bemerken. Er kam näher, hielt Harry die Flasche über den Kopf und besprenkelte sie mit Benzin, als taufe er sie. Die kalte Flüssigkeit tropfte ihr über Gesicht und Hals und verteilte sich über dem schwarzen Koffer. Die Feuerzeugflamme züngelte wie eine Schlange, die ihr Opfer witterte.
    Ein Schuss explodierte. Harry fuhr zusammen, hielt den Atem an und wartete auf die Schmerzen. Sie hörte Jude aufschreien. Cameron zog die Augenbrauen hoch.
    »Weißt du, meine Mutter ist wirklich an einem Unfall gestorben«, kam es von Dillon mit erstickter Stimme. »Er hat sie nicht umgebracht.«
    Cameron runzelte die Stirn und schwankte ein wenig. Der Schuss dröhnte Harry noch immer in den Ohren.
    »Ich hab es ihm eingeredet«, fuhr Dillon fort. »Er war so zugedröhnt, dass er sich nicht mehr daran erinnern konnte.«
    Camerons Blick flackerte, er stierte in die Ferne. Sein linkes Augenlid zuckte schwach.
    »Danach hat er alles gemacht, was ich wollte«, sagte Dillon.
    Camerons Schultern fielen ein, dann sackte er gegen Harry und drückte sie mit seinem Gewicht gegen das Podest. Sie schrie auf und fiel zu Boden, der Koffer glitt ihr aus der Hand. Cameron krachte auf sie und raubte ihr den Atem. Zitternd befreite sie sich von ihm. Cameron lag mit dem Gesicht nach unten im Gras, über seinen Rücken breitete sich ein großer roter Fleck aus. Harry schlug beide Hände vor den Mund und unterdrückte einen Schrei.
    »Wirf mir das Geld rüber, Harry, und alles ist vorbei«, schrie Dillon.
    Harry riss den Kopf hoch. Das Podest blockierte die Sicht auf ihn. Sie sah zum Koffer und dann zur Benzinflasche, die Cameron noch immer umklammert hielt. Sie war fast halb voll.
    »Harry?«
    Sie hörte seine Schritte im Gras, während er die Statue umrundete. Ihr Puls raste. Sie packte die Benzinflasche. Dann öffnete sie den schwarzen Koffer und leerte darüber die Flasche aus. Quälend
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