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Papilio Mariposa

Papilio Mariposa

Titel: Papilio Mariposa
Autoren: Oswald Levett
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Freude an seiner Bewunderung als
dem Ärger über meine Nachlässigkeit entsprang und
daß sie damit nicht sosehr ihn erfreuen als mich verletzen
wollte.
    Ich hielt es für das beste, wenn ich Mariposa immer
wieder nötigte zu trinken. Er trank; vielleicht aus Höflichkeit,
vielleicht, um zu vergessen. Und es kam auch
über ihn wie ein Rausch. Nicht vom Wein; es war eine
Trunkenheit der Gefühle, kein schwermütiger Rausch,
eher ein Rausch der Schwermut. Wie ein Orkan der
Trauer fegte es über sein Angesicht und verdunkelte
seinen lechzenden Blick. Immer einsilbiger wurde er
und versank endlich in trübem Sinnen.
    Es war spät geworden und im Saale stille. Ich wollte
in solch trübseliger Stimmung nicht den Tag beschließen,
und um die Situation zu retten, schenkte ich ein,
trank ihnen zu und rief: »Kinder, nun müßt ihr beide
einmal miteinander tanzen, junge Leute sollen tanzen.«
    Kaum hatte ich es gesagt, wollte ich’s zurücknehmen;denn mir ahnte Böses. Doch zu meinem Erstaunen
erhob sich Mariposa. Mit starrem Blick stieg er
hinab auf das Parkett und verbeugte sich vor Désirée
wie unter einem magischen Befehl.
    Auch Désirée erhob sich, indem sie mich mit einem
kalt flammenden Blicke streifte.
    Da standen sie einander gegenüber in dem weiten,
leeren Saale, die Personifikationen feindlich fremder
Welten: Nymphe und Waldschratt, die schöne Germanin
und der mißgestaltete Jude. Gleich einem flammenden
Engel des Unheils musterte sie ihn von ihrer
stolzen Höhe, und als er auf sie zutrat, um mit ihr zu
tanzen, wich sie zurück mit einer abwehrenden Geste.
    Ich schnellte auf von meinem Sitze und fuhr dazwischen,
als ob sie ihn gezüchtigt hätte. Und sah in seine
Augen.
    Zweimal in meinem Leben begegnete ich solch
einem Blicke. Im Krieg, von einem Gefangenen — der
wegen einer geringen Widersetzlichkeit zum Tod verurteilt
wurde —, als er sterben mußte. Und auf der
Jagd, von einem Hirschen, den ich zu Tod getroffen
hatte.
    Und zum dritten Male. Derselbe Ausdruck stummer
Qual, dieselbe Anklage gegen den fernen Schöpfer,
daß er solch sinnlose Grausamkeit geschehen lasse.
    All das dauerte nur einen Herzschlag lang. Désirée
erkannte, was sie da angerichtet hatte. Aus der abwehrenden
Geste suchte sie eine Bewegung des Schmerzes
zu machen, führte — ein wenig spät — die Hand an den
Kopf und entschuldigte sich mit Migräne.
    Ich unterfaßte beide und rief mit gespielter Lustigkeit:
»Auch recht. Mit Kopfschmerzen kann man wirklich
nicht tanzen. Aber es gibt Dinge, die noch vielschöner sind als tanzen. Zum Beispiel Bruderschaft
trinken. Kommt, Kinder, gebt euch den Bruderkuß.«
    Das sollte zugleich für Désirée eine Strafe und eine
Genugtuung für Mariposa sein.
    Und mit sanfter Gewalt schob ich beide gegeneinander
zu.
    Willig beugte sich Désirée nieder, um Mariposa zu
küssen. Aber er wich zurück, wie um eine unverdiente
Gnade abzuwehren, sah sie an mit einem unbeschreiblichen
Blicke, ergriff ihre beiden Hände und küßte sie,
sich demütig verneigend.

    I n den nächsten Tagen ließ
sich Mariposa nicht blicken. Ich begann zu fürchten,
er könnte nachhaltig verstimmt sein, doch war ich so
sehr beschäftigt, daß ich nicht dazu gelangte, mich mit
ihm ins Einvernehmen zu setzen.
    Endlich meldete er sich. Auf meine Frage, warum er
so lange nichts von sich habe hören lassen, erwiderte
er, er hätte eine dringende Arbeit gehabt.
    Ich horchte erstaunt auf, denn meines Wissens hatte
er sich von aller praktischen Tätigkeit zurückgezogen:
er konnte also wohl keine dringenden Arbeiten haben.
    Als er mein Erstaunen wahrnahm, bemerkte er: »Ich
bin gekommen, um Ihnen diese Arbeit zu zeigen.
Wenn Sie es gestatten, lasse ich sie hier. Seien Sie so
gütig, sie zu lesen und mir Ihr Urteil zu sagen.«
    Damit überreichte er mir ein Manuskript und verabschiedete
sich.
    Ich lasse es im Wortlaut folgen.
     
    DIE TRAGÖDIE DER HÄSSLICHKEIT
     
    In einen Zaubergarten wollte ich dich führen, lieber
Leser. Da blühen Rosen, hoch und mächtig wie uralte
Eichen. Die Lilien, die Veilchen und die Hyazinthen
verbergen ihre Wipfel in den Lüften und tief zu ihren
Füßen, wie Moos, so niedrig und so zierlich, ducken
sich die Ulmen, Linden, Tannen.
    Der wilde Duft der seltsam übermächtigen Gewächse
entzündet und bedrückt die Sinne, und aus
dem vielstimmigen Sang der Vögel, aus dem leisen
Rauschen der verborgenen Brunnen widerhallt dir deines
zart gehegten Kummers süße Qual.
    Durch einen Nebelschleier blickst du
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