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Optimum - Kalte Spuren

Optimum - Kalte Spuren

Titel: Optimum - Kalte Spuren
Autoren: Veronika Bicker
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wütend aufeinander – und nachher habe ich gemerkt, dass ich gar nicht wusste, warum eigentlich. Ich glaube, ich war wütend, weil du wütend warst. Du weißt das ganz genau. Also hör auf, mich zu manipulieren!« Rica presste die Lippen fest aufeinander und starrte weiter das Fenster an.
    Eliza schwieg noch immer. Gerade wollte Rica sich zu ihr umdrehen und sie ein für alle Mal zu einer Antwort auffordern, als sie die Bettfedern quietschen hörte. Hastige Schritte durchquerten den Raum, und gleich darauf schlug die Tür zum Flur zu.
    Rica wirbelte herum, aber natürlich war das Zimmer leer. Verärgert biss sie sich auf ihre Unterlippe. Warum hatte sie das nun wieder alles gesagt? Warum musste sie ihren Ärger an Eliza auslassen, wo sie doch eigentlich wütend auf Robin war? Und vor allem – was hatte sie jetzt wieder kaputt gemacht?
    * * *
    Elizas Herz raste. Ricas Worte dröhnten noch in ihrem Kopf nach. Dabei hatte Eliza dieses Mal wirklich nichts getan. Zumindest glaubte sie das. Sie hatte sich geschworen, nie wieder auf Ricas Verhalten Einfluss zu nehmen und sich am Riemen zu reißen. Aber gerade im Zimmer hatte sie sich gewünscht, dass Rica sich ein wenig abregte. Hatte allein schon der Wunsch gereicht?
    Ich habe es nicht mehr unter Kontrolle. Der Gedanke kreiste immer wieder durch ihren Kopf wie ein lästiger Ohrwurm. Ich habe es nicht mehr unter Kontrolle. Meine Gedanken und Gefühle greifen auf andere über, und ich kann nichts dagegen tun.
    Eliza ballte ihre Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder. Ihr Kopf schien zu glühen. Rica wird nie wieder mit mir reden wollen. Warum bin ich einfach weggelaufen? Warum habe ich nicht mit ihr gesprochen?
    Aus dem Aufenthaltsraum drangen Gelächter und laute Stimmen. Offensichtlich waren die ersten Schüler dabei, Kontakte zu knüpfen. Eliza hatte nicht die geringste Lust, dabei zu sein. Sie drehte der Tür zum Aufenthaltsraum den Rücken zu und lief den Flur entlang zur Hintertür neben der Küche. Hier war es dunkel und wie ausgestorben, niemand trieb sich jetzt noch hier herum, nachdem die Küchencrew abgezogen war. Eliza hatte keine Jacke mitgenommen, aber direkt neben der Hintertür hingen ein paar alte Wolljacken, die vermutlich den Betreibern der Hütte gehörten. Eliza griff sich kurzerhand eine davon und warf sie sich über. Der Stoff war schwer und stank nach nassem Schaf und Zigarettenrauch, doch er war warm. Eliza schob die Tür auf und trat ins Freie.
    Der Schnee glitzerte im Mondlicht, eine endlose, unberührte Fläche. Ein Stück hinter der Hütte lag ein kleines Wäldchen, die Umrisse der Bäume hoben sich wie Scherenschnitte vor dem ewigen Weiß ab. Die Kälte biss in Elizas Wangen. Lange würde sie es hier draußen nicht aushalten. Aber ein bisschen Zeit zum Nachdenken brauchte sie jetzt einfach.
    Kurz entschlossen stapfte Eliza in den unberührten Schnee hinaus. Er knirschte unter ihren Schritten, als Eliza in Richtung Wäldchen stapfte. Die kalte Luft half ihr, einen klaren Kopf zu bekommen.
    Ich muss einfach besser aufpassen, dachte sie. Wenn Rica recht hat, beeinflusse ich jetzt schon Leute, wenn ich gar nicht darüber nachdenke. Wenn es mir gelingt, gezielt daran zu arbeiten … Sie wagte kaum, ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Das war genau das, was Jo vor einigen Monaten versucht hatte. Und wie hatte das geendet? Mit Jo als blutiger Leiche hinter der Musikhalle.
    Aber daran arbeiten musste sie, so viel war wohl klar. Und wenn sie nie wieder jemanden beeinflussen würde, nur, weil sie diese Fähigkeit jetzt unterdrückte, dann war das auch in Ordnung. Im Grunde wollte Eliza diese Gabe ja überhaupt nicht.
    Langsam wurde sie ein wenig ruhiger und entspannte sich. Sie hoffte, dass Rica nicht allzu böse auf sie war, die Chancen standen gut, dass ihre Freundin schon wieder alles vergessen und vergeben hatte, wenn Eliza zurück ins Zimmer kam. Rica war selten nachtragend.
    Erst, als Eliza den Waldrand erreicht hatte und sich umdrehte, merkte sie, wie weit sie sich bereits vom Haus entfernt hatte. Der Weg zurück schien auf einmal endlos, ihre einsame Fußspur im Schnee verloren und irgendwie traurig. Ganz davon abgesehen, dass wirklich jeder im gesamten Umkreis sehen konnte, wohin Eliza gelaufen war. Haben sie nicht etwas von einem Psychopathen gesagt, der hier sein Unwesen treibt? Eliza schauderte und sah sich rasch um. Die verschneite Landschaft lag still und verlassen da. Das muss ja ein ziemlich optimistischer Psychopath sein, wenn er
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