Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow
Autoren: Iwan Gontscharow
Vom Netzwerk:
ungnädig ein wenig von der Seite anblickte, und trat endlich zur Türe.
    »Wohin denn?« fragte plötzlich Oblomow.
    »Sie sagen mir nichts, warum soll ich denn unnütz dastehen?« krächzte Sachar in Ermangelung einer anderen Stimme, die er, wie er sagte, als er mit dem alten Herrn auf die Jagd fuhr und ihm ein heftiger Wind in den Hals blies, verloren hatte. Er stand halb abgewendet in der Mitte des Zimmers und blickte Oblomow immer noch von der Seite an.
    »Fallen dir denn deine Füße ab, wenn du stehenbleibst? Du siehst, ich habe Sorgen – warte also! Hast du etwa zu wenig gelegen? Suche den Brief, den ich gestern vom Dorfschulzen bekommen habe. Wo hast du ihn hingetan?«
    »Was für einen Brief? Ich habe keinen Brief gesehen«, sagte Sachar.
    »Du hast ihn ja selbst dem Briefträger abgenommen, es war ein ganz schmutziger Brief.«
    »Woher soll ich wissen, wo Sie ihn hingelegt haben?« sprach Sachar, über die Papiere und die verschiedenen auf dem Tische liegenden Sachen mit der Hand fahrend.
    »Du weißt nie etwas. Schau dort im Korb nach! Oder ist er vielleicht hinter das Sofa gefallen? Die Lehne da am Sofa ist noch immer nicht repariert; warum holst du nicht den Tischler und läßt es machen? Du hast sie zerbrochen.«
    »Ich hab' sie nicht zerbrochen«, antwortete Sachar; »sie ist von selbst zerbrochen; sie kann nicht ewig halten, sie muß auch einmal zerbrechen.«
    Ilja Iljitsch hielt es nicht für notwendig, das Gegenteil zu beweisen.
    »Hast du ihn schon gefunden?« fragte er nur.
    »Hier sind Briefe.«
    »Das sind andere.«
    »Dann gibt's keine mehr«, antwortete Sachar.
    »Also gut, geh!« sagte Ilja Iljitsch ungeduldig; »ich werde aufstehen und ihn selbst suchen.«
    Sachar ging in sein Zimmer; doch in dem Augenblick, da er sich mit den Händen gegen die Ofenbank stemmte, um hinaufzuspringen, hörte er wieder die eiligen Rufe: »Sachar! Sachar!«
    »Ach du mein Gott!« brummte Sachar, sich wieder ins Arbeitszimmer begebend; »was das für eine Qual ist! Wenn doch mein Tod bald käme!«
    »Was wollen Sie?« sagte er, sich mit der einen Hand an der Zimmertür haltend, und blickte Oblomow zum Zeichen seiner Ungnade so sehr von der Seite an, daß er ihn nur mit dem halben Auge zu sehen bekam, während sein Herr schon die eine ungeheure Backenbarthälfte sah, welche erwarten ließ, es würden zwei, drei Vögel aus ihr herausfliegen.
    »Das Taschentuch, geschwind! Das könntest du auch selbst wissen; hast du denn keine Augen!« bemerkte Ilja Iljitsch streng.
    Sachar äußerte keine besondere Unzufriedenheit oder Verwunderung bei diesem Befehl und Vorwurf des Herrn, da er wohl von seinem Standpunkte aus beides sehr natürlich fand.
    »Wer weiß, wo das Taschentuch ist!« brummte er, indem er eine Runde durch das Zimmer machte und jeden Stuhl betastete, obgleich man auch so sehen konnte, daß auf den Stühlen nichts lag.
    »Sie verlieren alles!« bemerkte er, die Tür in den Salon öffnend, um nachzusehen, ob das Gesuchte sich nicht dort befand.
    »Wohin? Suche hier; ich war seit vorgestern nicht drin. So beeile dich doch!« sagte Ilja Iljitsch.
    »Wo ist das Taschentuch?« »Das Taschentuch ist nicht da!« erwiderte Sachar achselzuckend und in alle Winkel blickend. »Da ist es ja«, krächzte er plötzlich zornig; »unter Ihnen! Da schaut ein Zipfel heraus. Sie liegen selbst auf dem Taschentuch und fragen danach!«
    Und Sachar wandte sich, ohne eine Antwort abzuwarten, der Tür zu. Oblomow war ein wenig verlegen geworden. Er fand schnell einen neuen Vorwand, Sachar im Unrecht erscheinen zu lassen.
    »Wie rein du hier alles hältst! Mein Gott, wie schmutzig und staubig es ist! Da, da, schau mal in die Ecken hinein – du tust gar nichts!«
    »Ich tu' nichts ...« begann Sachar mit gekränkter Stimme, »ich gebe mir so viel Mühe, mir ist es um mein Leben nicht zu schade, ich staube ab und fege fast jeden Tag ...«
    Er zeigte auf die Mitte des Fußbodens und auf den Tisch hin, an dem Oblomow zu Mittag aß.
    »Da, da«, sagte er. »Alles ist ausgefegt und zusammengeräumt, wie zu einer Hochzeit ... Was wollen Sie noch?«
    »Und was ist das?« unterbrach ihn Ilja Iljitsch, auf die Wände und an den Plafond zeigend, »und das? und das?«
    Er wies auf das seit gestern herumliegende Handtuch und auf den auf dem Tisch vergessenen Teller, worauf eine Brotschnitte lag.
    »Nun gut, das werde ich abräumen«, sagte Sachar herablassend und nahm den Teller.
    »Nur das! Und der Staub an den Wänden und das Spinngewebe?«
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher