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Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone

Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone

Titel: Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone
Autoren: das Erbe der Elfenkrone Nijura
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Feuchtigkeit herübergekrochen und legte sich über die Stadt wie eine undurchdringliche Wolke, die die Sonnenwärme ein- und nicht mehr ausließ. Selbst die Nächte waren drückend warm.
    Scapa zog sich das Hemd aus und stützte die Arme auf die Knie. Er musste an all die Pläne denken, die er hatte, an all die Herausforderungen, die ihm bevor-standen … Es war schon seltsam: Gerade erst war er den Soldaten entkommen, und jetzt schon hatte er die Gefahr vergessen, um an eine ganz andere zu denken
    – nämlich die, die noch vor ihm lag. Fast hatte er das Gefühl, der Zukunft näher zu sein als der Gegenwart.
    Arane ließ sich neben ihn sinken und lehnte sich so schwungvoll an seine Seite, dass er schwankte und sich mit der Hand abstützen musste. Sie lächelten stumm, während die Stille der Stadt sich in ihr Zimmer schlich – nur ab und an durchbrochen vom fernen Jaulen eines Hundes, einem kurzen Klirren, dem Platschen, wenn ein Nachttopf in die Straßen-gruben geleert wurde.
    »Arane …«, murmelte Scapa, ohne zu wissen, was er ihr sagen wollte. Aber sie war es gewohnt, dass er ihren Namen sagte, wenn er in Gedanken war, und legte den Kopf an seine Schulter. Er erinnerte sich an all die Tage, die er mit ihr schon verbracht hatte. Ta-ge, so heiß wie der heutige, und Tage, an denen sie
zähneklappernd vor Kälte nach einem offenen Feuer gesucht hatten. Und er dachte an ihre Zukunft, wie sie gemeinsam den Fuchsbau bewohnen würden, aus dem sie Torron und seine Männer noch vertreiben mussten – sie gemeinsam, die wahren Fürsten von Kesselstadt. Zwei Straßenkinder …
    Arane erhob sich und nahm die Öllampe vom Tisch. »Es ist spät. Ich mache das Licht aus.« Und ihre Gestalt verschwand mit einem Zischen in der Dunkelheit.

Kesselstadt
    Zwischen den unendlichen Marschen von Korr und dem Reich der Dunklen Wälder gab es kaum Dörfer oder Städte. Schließlich waren die Einwohner des Waldreichs und die Bewohner von Korr nie besonders gut miteinander ausgekommen – obwohl auch kein Krieg herrschte. Ein Sumpf der Vorurteile und über Generationen überlieferter Hass hatten den Frieden beider Länder in einen unausgesprochenen Rivalitätskampf verwandelt. Selbst zwischen den Moorelfen und den Freien Elfen der Dunklen Wälder herrschte Zwietracht. Und dennoch hatte es eine Stadt geschafft, am Rande von Korr nahe dem Waldreich zu bestehen: Es war eine Stadt, deren Häuser wie durcheinander gewürfelte Steinchen über das gelbe Land verstreut waren und deren Straßen sich tief hinab in die Schluchten schraubten, die die Ebene zwischen Sumpf und Wald so unwirtlich machten.
Während die Stadt von oben aus eher wie ein wildes Dörfchen wirkte, spreizte sich ihr größter Teil in die darunter liegenden Talkessel. Darum nannte man sie Kesselstadt.
    Aber es gab noch einen anderen Grund für den Namen. Denn in den schiefen Häuserschluchten, den steilen und versteckten Straßen ließ sich alles finden: Reiche und arme Leute, Verbrechen und Begehrlich-keiten, Diebe, Menschen, Elfen – hauptsächlich verstoßene Elfen. Die Stadt war ein Kessel, in dem das Verbrechen vor sich hin köchelte wie eine Suppe, die manchmal überschwappte, sodass sich der Fürst von Kesselstadt die Finger verbrannte und seine Soldaten ausschickte. Dann beruhigte sich die brodelnde Brü-
    he wieder.
    Kesselstadt war zu einer Hauptstadt aller Völker geworden. Hier trafen sich Elfen und Menschen des Waldes und der Marschen und trugen ihre Feindse-ligkeiten aus. Für viele war Kesselstadt ein vorüber-gehender Unterschlupf oder ein geschäftliches Reiseziel; für andere, für Verbannte oder für niedergelas-sene Händler, bedeutete die Stadt eine neue Heimat.
    Scapas Leben hatte sich ausschließlich in Kesselstadt ereignet. Kaum erinnerte er sich mehr an seine frühe Kindheit, bevor die Straßen sein Zuhause geworden waren. Eines Tages stand er in den Gassen der untersten Viertel, lauschte dem Herzschlag der Stadt und begann, sich ihm anzupassen. Seine Vergangenheit war verschwommen bis zu jenem Augenblick, da er Arane getroffen hatte.
Wie jeden Morgen erwachte Scapa durch die Ge-räusche der Stadt. Das Klirren und Klappern der Kochtöpfe, das Rufen der Händler, die Stimmen lachender und schreiender Kinder schlüpften durch den dunkelroten Zimmervorhang und lockten ihn aus seinen Träumen.
    Scapa setzte sich schlaftrunken auf. Sein Mund war trocken. Es war bereits heiß geworden, die feuchtwarme Luft überzog seine Haut wie ein dünner Film.
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