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Noras großer Traum (German Edition)

Noras großer Traum (German Edition)

Titel: Noras großer Traum (German Edition)
Autoren: Christin Busch
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ihrer schönen Welt gefangen. Sie und Max sprachen zwar oft davon, wie schön es sei, dass sie ihre Kinder jung bekommen hatten und sie so später, wenn diese auf eigenen Füßen stehen würden, noch jung seien, um gemeinsam die Welt zu entdecken. Aber manchmal verspürte Nora so etwas wie Beklemmungen, wenn sie daran dachte, dass dies noch zehn bis fünfzehn Jahre dauern konnte. Sie saß einfach fest in ihrer Welt. Voller Trauer wanderten ihre Gedanken wieder zu Sophie. Auch sie hatte noch so viel mit ihrem Leben vorgehabt. Warum verschob man immer alles auf später? Stets gab es Dinge, die anscheinend wichtiger waren, als zu leben, miteinander zu reden, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Da fiel ihr ein Zitat von John Lennon ein: »Leben ist das, was dir widerfährt, während du damit beschäftigt bist, anderweitig Pläne zu schmieden.«
    Nora lebte bewusst. Sie nahm die schönen Dinge des Lebens immer wahr. Sie freute sich über einen strahlend blauen Himmel im Herbst, der das bunte Laub an den Bäumen besonders leuchten ließ, sie nahm jeden Vogel wahr, der in ihrem Garten sang, sie kannte alle Vogelarten und wusste, wo die einzelnen brüteten. Schon als ihre Kinder noch im Kinderwagen saßen, hatte sie begonnen ihnen Tiere und Pflanzen zu zeigen und zu erklären. Sie hatte sie auf die ersten Knospen im Frühjahr aufmerksam gemacht, auf eine besonders schöne Wolke am Himmel oder sie hochgehoben, damit sie von ihrem Arm aus in einem Vogelnest die gerade geschlüpften Jungvögel betrachten konnten. Sie fühlte Glück fast körperlich, wenn ihre Kinder übermütig lachten, wenn sie in die wunderschöne Klarheit ihrer Augen sehen oder einfach nur feststellen konnte, wie gesund und glücklich sie waren. Aber vielleicht spürte sie gerade weil sie über die Fähigkeit verfügte, dies alles so bewusst wahrzunehmen, in genau dem gleichen Maß auch das Ungute, die Ignoranz, die Intoleranz, den Neid oder die Gleichgültigkeit in der Welt. Sie litt darunter, ihren Kindern immer wieder erklären zu müssen, warum sich manche Menschen so und nicht anders benahmen, warum manche Kinder andere Kinder oder Tiere quälten oder beschimpften. Sie fühlte sich in ihrer Erziehung oft mit dem Rücken an die Wand gedrängt, wenn Niklas oder Marie sie dann mit wachem Blick musterten und sagten: »Aber Mama, ich denke, man soll anderen nicht wehtun oder gemein sein. Warum machen das denn so viele? Wissen die das nicht? Warum gibt es denn Krieg? Können sich die Erwachsenen nicht auch einfach wieder vertragen wie Patrick und ich, wenn wir uns gestritten haben? Warum hungern die Menschen in Afrika? Hier gibt es doch genug. Können wir denen nicht einfach etwas von unserem Essen schicken?« Es fiel ihr unsagbar schwer, ihren Kindern vorsichtig vermitteln zu müssen, dass es nicht immer eine zufriedenstellende Lösung für alles geben konnte, dass man sich manchmal mit dem Schlechten in der Welt abfinden musste. Selbst Max, mit dem sie oft versucht hatte darüber zu sprechen, sagte meistens: »Schatz, du machst dir viel zu viele Gedanken. Ich glaube nicht, dass sich andere so den Kopf zerbrechen. Schalt doch einfach mal ab!« Es gelang Nora aber nicht, und sie hatte immer häufiger das Gefühl, anders zu sein – oder womöglich den Verstand zu verlieren. Manchmal empfand sie den Gedanken an den Tod nicht mehr als erschreckend, sondern sogar als tröstlich. Aber sie hätte nicht einmal freiwillig aus dem Leben gehen können, denn wer würde dann darauf achten, dass ihren Kindern der menschliche Weg gezeigt wurde, den sie sich so für sie wünschte?
    Nora riss sich aus diesen Gedanken und drückte ihren Hund noch einmal an sich. »Dein Frauchen wird wohl doch langsam verrückt, Kuno. Aber vorher kriegst du noch etwas zu fressen. Komm mit!« Sie war aufgestanden, um hineinzugehen, musste jedoch aufpassen, nicht über den freudig um sie herumspringenden Kuno zu stolpern, der das Wort »fressen« offenbar ganz genau verstanden hatte. In der Küche befahl Nora dem Hund, sich zu setzen, und schob Hundefutter mit einem Löffel aus der Dose in den Fressnapf. Erst als der Napf auf seinem Platz stand, wandte sie sich um und sah in Kunos erwartungsvolle Augen. Auf ihr Kommando kam er so eilig herangeprescht, dass er fast auf dem gefliesten Küchenboden ausrutschte. Mit einem Anflug von Galgenhumor strich sie ihm schmunzelnd über den Rücken und sagte »Vielleicht sollte ich dir etwas über die Welt erzählen oder über Australien und die
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