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Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst

Titel: Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
Autoren: Bernhard Hennen
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hat.«
    »Erzähl mir kein neues Märchen, um die Glaubhaftigkeit e i ner unglaublichen Geschichte zu unterstreichen.«
    Geron seufzte. »Ich hätte nicht erwartet, daß auch Ihr an me i nen Worten zweifelt.« Er öffnete den faustgroßen Lederbeutel, den er an seinem Gürtel trug, zog ein schlankes, kleines Hol z kästchen daraus hervor und hielt es Volker hin. »Öffnet dies! Danach werdet Ihr mir Glauben schenken, Herr Spielmann!«
    Der Burgunde strich vorsichtig über den polierten Deckel aus altersdunklem Rosenholz. Das Schmuckkästchen war schön gearbeitet, und die Seiten waren mit Schnitzereien verziert, die Efeuranken zeigten. Mit dem Daumennagel klappte Volker den Verschluß zurück. Das Kästchen war mit dunkelblauem Samt ausgeschlagen, auf dem eine feuerrote Feder lag. Kein Vogel, den er je gesehen oder von dem er auch nur gehört hatte, trug ein solches Federkleid!
    »Nun, Herr Spielmann, zweifelt Ihr noch immer an meinen Worten?«
    »Woher hast du das?« flüsterte der Barde ehrfürchtig.
    »Erinnert ihr Euch nicht mehr an das Märchen? Ich habe die Feder in der verloschenen Feuerstelle vor dem erfrorenen Ritter gefunden.«
    Vorsichtig berührte Volker die Feder, halb darauf gefaßt, daß er sich die Finger verbrennen würde. Doch das Kleinod fühlte sich an wie jede andere Vogelfeder auch. »Woher weißt du, daß sie vom Feuervogel ist? Ich meine … Du hast ihn doch nicht g e sehen! Und warum verbrenne ich mich nicht an ihr? Du sagtest doch, sein Gefieder sei wie Flammen.«
    Geron nickte. »Gewiß, doch sind es Flammen, die Eure Seele verbrennen werden, wenn Ihr dem Feuervogel in seiner wahren Gestalt zu nahe kommt. Nur eine Feder bei sich zu tragen ist ungefährlich … Zumindest glaube ich das.«
    Volker musterte den Fahrenden einige Augenblicke schwe i gend. Geron schien sich nicht darüber im klaren zu sein, wie sehr er sich irrte. Es lag ein Zauber in der Feder, und ihr Fund hatte sein Leben verändert. Er war vom Hirten zum wander n den Märchenerzähler geworden und hatte sich ganz dem Fe u ervogel verschrieben.
    »Woher hast du all dein Wissen über diesen seltsamen Vogel, von dem du erzählst.«
    Der Märchenerzähler grinste schief. »Ich weiß, wo ich ihn s u chen muß. Und selbst wenn ich den Feuervogel nur einmal von Ferne selbst gesehen habe, so bin ich doch vielen begegnet, die ihm näher waren und von ihm erzählen konnten. Den Feuerv o gel findet man stets dort, wo Dunkelheit und Unrecht regieren. Die Gebete der Verzweiflung scheinen ihn herbeizurufen. Er bringt das Licht und die Hoffnung. Man sagt, er kann vielerlei Gestalt annehmen, und daß jene, die ihm begegnen, es meist erst begreifen, wenn er sie wieder verläßt, ganz so wie der K ö nigssohn in meinem Märchen. Es heißt, daß der Feuervogel auf jede Frage eine Antwort kennt. Er spricht alle Sprachen dieser Welt, und kein Geheimnis kann vor ihm verborgen bleiben.«
    »Und wo bist du ihm begegnet?«
    »Ich habe ihn über einem Tal in den Bergen westlich von Ca s tra Bonna fliegen sehen. Dies ist Frankenland, und der graus a me Graf Ricchar herrscht dort. Er steht mit finsteren Mächten im Bunde, die ihm in jeder Schlacht zum Siege verhelfen. Für ihn haben sich die Pforten der Hölle geöffnet, und der Gottse i beiuns hat ihm hundert Ritter geschickt, deren Leiber aus Eisen sind, so daß keine Waffe sie zu verwunden vermag. In den Adern dieser Krieger aber fließt flüssiges Feuer, und wer immer ihnen zu nahe kommt, muß in Flammen aufgehen. Wo sonst als in einem solchen Land sollte man den Feuervogel fliegen s e hen?«
    Der Spielmann nickte bedächtig. »Krieger aus Eisen, in deren Adern flüssiges Feuer fließt … Du verstehst es, deine Zuhörer immer wieder zu überraschen.«
    »Ihr wollt mir nicht glauben, Herr Volker. Beendet Euer Spiel mit mir. Ich werde Worms noch in dieser Nacht verlassen und mir einen Ort suchen, an dem man einem Fahrenden, der so viel gesehen hat wie ich, mehr Respekt entgegenbringt. Nun gebt mir meine Feder zurück. Ihr müßt blind sein, wenn Ihr mir mit dem Beweis für die Wahrheit meiner Worte vor Augen noch immer nicht zu glauben vermögt.« Fordernd streckte der Märchenerzähler die Rechte vor.
    Volker klappte das kleine Schmuckkästchen zu und reichte es Geron.
    »Ich hoffe, daß Euch Euere Zweifel niemals zum Verhängnis werden, Spielmann. Ich habe die Gabe des zweiten Gesichtes. Wisset, daß Ihr eines Tages mit Euerem König in einem bre n nenden Festsaal stehen werdet, und alle Tore sind
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