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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
Autoren: Sven Regner
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Polizisten.
    »Da ist einer verletzt«, sagte er zu einem, der einen Kopf größer war und durch das Visier seines Helms auf ihn hinunterblickte.
    »Ja, seh ich schon«, sagte der. Seine Kameraden lachten.
    »Der braucht einen Sanitäter, aber schnell.«
    »Ich hab aber keinen«, sagte der Polizist. »Was geht mich das an?«
    »Rufen Sie einen über Funk oder so«, sagte Frank.
    »Dafür bin ich nicht zuständig. Außerdem läuft der ja schon wieder.«
    Frank schaute zurück zu Mike und sah, daß er schon wieder auf allen vieren hockte. Er ging zu ihm hin und half ihm auf.
    »Was war das denn?« sagte Mike. »Ich glaube, mir war ein bißchen schwindelig … «
    »Kannst du laufen?«
    »Ich glaub schon.«
    »Dann laß uns bloß hier abhauen!«
    Eine Viertelstunde später waren sie im St.-Jürgen-Kran-kenhaus. Frank brachte Mike in die Notaufnahme, wo eine Menge Leidensgenossen von ihm saßen und darauf warteten, daß ihre Platzwunden, Gehirnerschütterungen, Blutergüsse und Prellungen behandelt wurden. Frank fühlte viele feindselige Blicke, als er mit Mike zusammen in den Wartebereich kam, mit dem großen Dienstanzug machte man sich hier keine Freunde, auch ohne Stahlhelm nicht.
    »Mike, ich hau dann mal ab«, sagte er, nachdem er ihn auf eine Bank gesetzt hatte.
    »Ja«, sagte Mike. »Bis denn mal. Und vielen Dank.«
    »Kein Problem«, sagte Frank. »Wir hatten ja denselben Weg.«
    Dann ging er. Bis zur Kaserne war es noch ein ordentliches Stück Fußmarsch, und es gab einiges, über das er nachdenken mußte.
46.  NOTAUSGANG
    Am nächsten Morgen wachte er von alleine auf, obwohl es noch dunkel war. Er hatte keine Uhr, aber er wußte, daß es früh am Morgen war und nicht etwa mitten in der Nacht. Er fühlte sich frisch und von einem Tatendrang erfüllt, den er sich zunächst überhaupt nicht erklären konnte, als er da im Dunkeln in seinem Bett lag, die Bettfedern und die Matratze über sich anstarrte und auf den Weckruf wartete, von dem er sicher war, daß er gleich kommen mußte. Aber dann erinnerte er sich wieder an alles, auch an den Entschluß, den er auf dem Heimweg vom St.-Jürgen-Krankenhaus zur Kaserne endgültig und unwiderruflich gefaßt hatte. Und das ist ja auch gut, daß man sich endlich mal für etwas entschieden hat, dachte er, während er noch dort so lag und den schweren Atemzügen des Schützen Scholl lauschte, der aus dem Ruhrgebiet kam und deshalb kein Heimschläfer sein konnte, und der als einziger außer Frank noch regelmäßig in dieser Stube schlief, obwohl, was heißt schon regelmäßig, dachte Frank, das waren bis jetzt nur die letzte und diese Nacht, dachte er, und diese beiden Nächte sind jetzt vorbei, und das war’s dann auch, dachte er, da kann man von regelmäßig wohl kaum sprechen, denn wenn man sich einmal entschieden hat und entschlossen ist, das dann auch durchzuziehen, dann war’s das ja wohl, dachte er, und er dachte zugleich, daß er sich bis zum Wecken noch eine letzte Frist geben sollte, sich das noch einmal zu überlegen. Am nächsten Morgen muß man so etwas noch einmal überdenken, dachte er, es ist in Ordnung, wenn man sich am Abend endgültig entschieden hat, aber man sollte immer prüfen, ob das dem nächsten Morgen dann auch standhält, und die Nacht ist gleich um, und wenn ich mich bis zum Wecken nicht umentschieden habe, dachte er, dann bleibt es dabei, es gibt eine Zeit zum Nachdenken und eine Zeit zum
    Handeln, und da man vor dem Wecken nicht handeln kann, sollte man bis zum Wecken noch nachdenken, nach dem Wecken aber, dachte er, ist Zeit zum Handeln, da darf man dann nicht mehr nachdenken, denn wenn man dann noch ins Nachdenken kommt, dann könnte es sein, daß man Schiß bekommt, dachte er, und dann zuckt man zurück, und dann hat man noch über dreihundert Tage vor sich, dachte er, und da fiel ihm auf, daß er seine Tageszahl nicht mehr wußte, gestern hatte er sie noch gewußt, heute war sie weg, irgendwas mit dreihundert, mehr war nicht mehr herauszufinden, und das sagt ja wohl alles, das ist ein Zeichen, dachte er, wenn man die Tageszahl nicht mehr weiß, dann ist es vorbei, dann wird es Zeit zum Handeln, und in diesem Moment ertönten eine Trillerpfeife und ein Geschrei, und er beschloß, daß die Würfel gefallen waren.
    Das Schwierigste war das Timing. Er wollte am liebsten beim Antreten umkippen, das hatte zwar etwas unangenehm Theatralisches, war ihm aber zugleich aus eigener Anschauung vertraut, so hatte er es damals bei Pionier Reinboth erlebt,
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