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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
Autoren: Sven Regner
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und er hatte das Gefühl, daß ein bißchen allgemeine Aufmerksamkeit bei der Sache nicht schaden konnte, je durchgeknallter es wirkt, desto besser, dachte er, als er nach dem Frühstück und ungefähr eine Viertelstunde vor dem Antreten, als sich die Stube langsam mit anderen Kameraden füllte, vor seinem offenen Spind stand und das Wertfach aufschloß. Ärgerlich war vor allem, fand er, daß er Reinboth damals überhaupt nicht nach den technischen Details befragt hatte, zum Beispiel darüber, wann genau er sein Medikament genommen hatte und vor allem, welches Medikament das überhaupt gewesen sein soll, dachte er, als er Mommsens Römische Geschichte anhob, um dahinter die Plastiktüte hervorzuholen, in der die drei Minischnapsflaschen und der Streifen mit den blauen Tabletten steckte. Er hatte auf dem Fußmarsch in die Kaserne schon darüber gegrübelt, wie viele von den Tabletten er wohl nehmen sollte, es war ja kein Beipackzettel dabei, deshalb war das eine heikle Sache. Ein oder zwei kamen nicht in Frage, das ist zu wenig, hatte er gedacht, als er die Bismarckstraße entlangmarschiert war, dann schon lieber vier, hatte er gedacht, vier können keinesfalls eine normale Dosis sein, dachte er auch jetzt, vier ist sicher schon ziemlich heftig, dachte er, und da er sich entschlossen hatte, noch einen oder zwei Schlüpferstürmer obendrauf zu kippen, blieb er auch dabei. Er drückte alle zehn Tabletten aus dem Streifen und legte den leeren Streifen zurück in das Wertfach. Vier Tabletten steckte er in die Brusttasche seines Grünzeugs, die sechs übrigen behielt er in der Hand. Dann steckte er noch zwei kleine Schnapsflaschen ein, einen Busengrapscher und einen Schlüpferstürmer, schloß Wertfach und Spind wieder ab und ging auf die Toiletten. Dort angekommen, suchte er sich ein Klo, sperrte ab, spülte fünf der sechs überzähligen Mandrax hinunter und setzte sich auf den Deckel, um noch einige Minuten zu warten. Er hatte Angst. Andere nehmen die Dinger zum Spaß, dachte er, um sich Mut zu machen, und ich scheiße mich ein, das geht nicht an, dachte er, vier Stück, so schlimm wird’s schon nicht sein, Hauptsache, sie merken nicht, daß es nur vier waren, dachte er, fünf sind wahrscheinlich besser, vier kann unmöglich eine ernst gemeinte letale Dosis sein, und er war froh darüber, daß er die anderen fünf schon ins Klo gespült hatte, mehr als fünf können es jetzt jedenfalls nicht mehr werden, dachte er, er traute sich selber nicht ganz über den Weg, viel hilft viel, dachte er, das ist schon mal wahr, und wie leicht denkt man das, und dann ist am Ende irgendwas für immer im Eimer… Er wog die vier Tabletten, die er aus der Brusttasche gefummelt hatte, hin und her, nach viel sah es nicht gerade aus, deshalb tat er die fünfte hinzu. Er schätzte, daß es auch noch fünf Minuten bis zum Antreten waren, fünf Tabletten, fünf Minuten, dachte er, was natürlich, wie er auch sogleich dachte, totaler Quatsch war. Jetzt oder nie, dachte er, aber er tat nichts, er schaute bloß auf die fünf Tabletten und hatte Schweiß auf der Stirn. Dann eben umgekehrt, dachte er, dann eben erst den Schnaps und dann die Pillen. Er schraubte den Schlüpferstürmer auf und trank ihn aus. Beim Frühstück hatte er sich zurückgehalten, nur einen Kaffee genommen, und der Schlüpferstürmer brannte auf dem ganzen Weg nach unten, gleich den Busengrapscher hinterher, dachte er, wenn schon Schlüpferstürmer, dann auch noch schön den Busengrapscher obendrauf, dachte er, trank auch den und versteckte dann beide kleinen Flaschen im Spülkasten des Klos, er wollte nicht, daß sie davon etwas erfuhren, denn wenn sie vom Alkohol nichts wußten, würden sie vielleicht die Mandrax-Dosis höher einschätzen, als sie in Wirklichkeit gewesen war, so dachte er.
    Er wartete kurz, bis der Schnaps seine Wirkung entfaltete oder er sich das wenigstens einbilden konnte, bis er sich mutig genug fühlte jedenfalls, auch den letzten Schritt zu tun, und dann schluckte er vier Tabletten, warf die fünfte ins Klo, zog die Spülung, ging hinaus und trank aus dem Waschbecken Wasser nach. Dann ertönte auch schon der Ruf zum Antreten. Hoffentlich wirken sie nicht zu spät, dachte er, obwohl, andererseits, dachte er, während er mit seinen Kameraden zusammen vor das Kompaniegebäude trabte, besser zu spät als zu früh, man kann ja nach dem Antreten immer noch ins Büro vom Spieß gehen und da zusammenklappen.
    So weit kam es aber nicht. Der Major hatte eine
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