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Nacht

Nacht

Titel: Nacht
Autoren: Elena Melodia
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aufgerissen.
    »Nein … nein … ftopp …«
    Jetzt gilt es, hart zu bleiben.
    »Gib mir dein Handy!«
    Er gehorcht und reicht mir sein Mobiltelefon.
    »Ist dieses verdammte Filmchen hier gespeichert?«
    »Nicht …«
    »Ist es hier drauf?«
    Adam nickt. Ich gebe das Handy Seline.
    »Los, lösch die Sauerei, Seline.«
    Ich habe alles unter Kontrolle.
    Seline wirft das Telefon einfach in den Fluss. Ich höre das Aufklatschen auf dem Wasser.
    Adam stößt einen Fluch aus.
    »Haft du fie noch alle?«
    »Halt den Mund.«
    Agatha hat bisher geschwiegen, doch jetzt macht sie zwei Schritte auf Adam zu. Ich spüre, dass hier was schiefläuft, und packe ihren Arm, um sie aufzuhalten. Sie weicht zurück und geht wieder auf ihren Platz. Ihr Blick hat etwas Beunruhigendes.
    Adam wankt unsicher und geht schließlich vor uns in die Knie. Ich merke, dass er auf die alten roten Turnschuhe an Agathas Füßen starrt. Die trägt sie immer. Sie sind ihr Markenzeichen. Und wahrscheinlich die einzigen Schuhe, die sie hat.
    Naomi wirft mir einen fragenden Blick zu. Sie weiß nicht, was wir jetzt machen sollen. Auch die anderen wirken unsicher.
    Agatha geht wieder zum Angriff über. Sie nimmt Naomi die Spraydose ab und sagt: »Wir handeln weiter nach Plan.«
    Was hat sie vor?
    Sie packt Adam an den Haaren und reißt seinen Kopf nach hinten. Er fixiert sie mit seinem heilen Auge. Es ist ein herausfordernder Blick. Ich verstehe, dass er Angst hat, aber auch, dass er sich lieber blind machen lässt, als es zu zeigen. Agatha zögert nicht: Sie zieht die Schutzkappe von dem Spray. Ihre rasende Wut verbreitet sich in der Luft wie eine Giftgaswolke.
    »Du bist nichts als ein ekelhafter Wurm!«
    Sie sprüht ihm das Pfefferspray ins Gesicht.
    Adam brüllt wie ein Tier auf der Schlachtbank, und auch Seline brüllt, versucht, das Meer aus Scham in ihrem Innern herauszubrüllen. Doch es kommt nur ein Tropfen.
    Naomi ist wie versteinert.
    Agatha leert die ganze Dose. Erst dann lässt sie Adam los, der sich auf dem Boden windet und die Hände auf die Augen presst.
    »Es brennt! Brennt! Brennt!«
    Agatha lächelt boshaft. Sie schleudert die leere Dose in den Fluss. Ich versuche, die Gedanken, die durch meinen Kopf wirbeln, zu verjagen, und hocke mich vor Adam hin.
    »Es breheeennt!«
    »Fürs Erste reicht das wohl«, sage ich. »Wenn du den Mund aufmachst, garantiere ich dir, dass wir dich das nächste Mal anzünden wie einen alten Weihnachtsbaum.«
    Daraus, wie er stumm bleibt und sich krümmt, schließe ich, dass er verstanden hat.
    Ich laufe los. Zeit, abzuhauen.
    Die Mädels folgen mir. Sie sind direkt hinter mir.
    Wir lassen ihn dort zurück, am Boden liegend.
    Mein Herz schlägt wie verrückt.
    In meiner Tasche bimmelt fern ein Glöckchen.

[home]
    Kapitel 6
    I ch fahre aus dem Schlaf. Alles dunkel.
    Wie spät mag es sein?
    Der Wecker zeigt Mitternacht. Ich mache Licht und sehe mein violettes Heft. Es liegt noch immer dort auf dem Boden, am Fußende des Bettes, an derselben Stelle wie zuvor.
    Als würde es auf mich warten, mit dieser dicht beschriebenen Seite, die hervorgebracht zu haben ich mich nicht erinnern kann.
    Während ich es ansehe, wird mir schwindelig. Ein Gefühl wie am Rand eines Abgrunds. Ich strecke mich über die Bettkante, angele es mit den Fingerspitzen und hebe es auf. Eingewickelt in meine Decke, kann ich nicht anders, als dort weiterzulesen, wo ich am Morgen aufgehört habe.
    Das habe ich geschrieben, kein Zweifel, aber in einer wilden, unkontrollierten Schrift, in einem willenlosen Gedankenstrom. Ich muss es in einer Art Trance hingekritzelt haben. Einer Art Traum. Einer Art Alptraum. Einer Art Wirklichkeit. Ich erinnere mich nicht, was ich geschrieben habe. Hingeworfene Worte, ohne nachzudenken. Trotz meiner Müdigkeit und der Kurzatmigkeit und der Dunkelheit, die draußen gegen die Fenster drückt, lese ich weiter. Und kann nicht glauben, was dort steht. Immer wieder sage ich mir, dass ich möglicherweise einen Teil eines Traums beschrieben habe, dass es mir gelungen ist, eine meiner Phantasien auf Papier festzuhalten.
    Warum?
    Und wann?
    Ich setze mich im Bett auf, die Augen gebannt auf ein violettes Heft mit elfenbeinfarbenen Seiten gerichtet. In meinem Gesicht regt sich nichts. Aufmerksam lese ich und bin danach vollkommen erschöpft. Ich schlafe bei eingeschaltetem Licht ein, und die Angst verschwimmt auf der Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein, zwischen Alma und etwas
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