Nachhilfe in Erster Liebe

erfahren hat, obwohl sie das zuvor behauptet hatte. Aber als Jan wie bisher auch zwei Mal in der Woche zum Fußballtraining gekommen ist, war für Marie die Welt wieder in Ordnung und sie hat mir mit einem sehr kräftigen Schlag auf die Schulter ihre Freude über Jan und mich ausgedrückt.
    Ausgedrückt hat sich Siri auch, aber Freude war definitiv nicht dabei. Erst als Marie sie verwarnt hat, dass sie mit ihrem Gezicke die komplette Freundschaft aufs Spiel setzt, ist Siri wieder zur Vernunft gekommen und hat sogar zugegeben, dass sie eigentlich gar nicht weiß, ob sie wirklich in Jan verliebt ist oder vielleicht doch nur in das Gefühl, verliebt zu sein.
     
    Jetzt habe ich nach all den Turbulenzen also wieder drei gute Freundinnen, dazu einen festen Freund und noch eine halbe Katze – natürlich nur symbolisch und nicht wirklich in zwei Hälften zerstückelt. Aber Jan und ich haben sie zusammen
aus dem Tierheim geholt und beschlossen, dass es unsere gemeinsame Katze sein soll, auch wenn sie bei Jan daheim lebt.
    Sie ist noch ziemlich jung und deshalb auch ziemlich wild. Was perfekt zu uns passt, findet Jan. Seine Mutter findet es nicht ganz so perfekt, weil sich die Katze am Sofa genauso begeistert hochhangelt wie an den Gardinen in der Wohnung und sogar an Frau Fanturs Mantel. Als sie dann auch noch ein paar Mal Jans Haare als Klettergerüst benutzt hat und ich ihm helfen musste, die Krallen samt Katze wieder daraus zu entfernen, hat er seiner Mutter notgedrungen recht gegeben. Und nicht nur das. Er hat seine tollen langen Haare deswegen nämlich sogar abschneiden lassen und trägt sie nun richtig kurz. Zuerst wussten weder die Katze noch ich so genau, wie wir das finden sollen. Denn sie hat dadurch ihr Spielgerät verloren und ich das Bild des Jungen, in den ich mich verliebt hatte: Jan mit den halblangen Haaren, die er sich immer so lässig aus dem Gesicht strich und in denen ich in letzter Zeit ebenfalls rumwuscheln durfte. Jan dagegen fand seine kurzen Haare im heißen Sommer aber plötzlich viel besser. Inzwischen habe ich mich auch daran gewöhnt und eigentlich noch mehr als das. Die Haare stehen vorne nämlich so schön frech ab, was ziemlich cool bei ihm aussieht. Insgeheim hoffe ich sogar, Jan lässt seine Haare jetzt immer so kurz. »Bis sich die Kletterlaune der Katze ausgewachsen hat, sind meine Haare dann auch wieder gewachsen«, hat Jan mich aber kürzlich angegrinst. Zuerst war ich ein bisschen traurig darüber, doch im Grunde finde ich, jeder hat das Recht, selbst über seine Haare zu entscheiden. Mich
hat es nämlich auch immer genervt, wenn sich meine Mutter bei mir eingemischt hat. Und eins ist ja klar: gut sieht Jan sowieso mit jeder Frisur aus.
    Sein kleiner Bruder Lars wollte die Katze wegen ihrer wilden Aktionen übrigens »Klettermaxe« nennen, aber wir hatten längst eine ganz andere Idee. Wir haben unsere Katze »Promesse« getauft, das ist Französisch und heißt so viel wie »Versprechen«. Jan hatte zuerst vorgeschlagen, wir sollten sie auf Französisch »Ehrlichkeit« nennen, weil wir froh darüber waren, dass die Zeit der Heimlichkeiten und Lügen endlich vorbei war. Aber als ich ihm gesagt habe, dass das »honnêteté« heißt, war er zum Glück sofort dagegen. Denn wie soll man seine Katze herbeirufen, wenn man nicht einmal unfallfrei ihren Namen aussprechen kann? Warum Jan und ich nach all den aufregenden Ereignissen der letzten Monate dann den Namen »Promesse« als passend ausgewählt haben, muss ich ja wohl wirklich nicht auch noch erzählen.

cbj
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    1. Auflage
    Originalausgabe Februar 2012
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